der wochenendkrimi (1) : Innere Insolvenz
„Tatort: Todesbrücke“, So., 20.15 Uhr, ARD“
Schön haben es die Leute in Teltow. Ihre Reihenhäuschen sind mit Holz verkleidet, die Straßen in dem Neubaugebiet südlich von Berlin wurden verkehrsberuhigt. Wenn sie die Autobahn nehmen, sind sie in einer halben Stunden in der City, wo einige von ihnen beim selben Insolvenzverwalter angestellt sind. Das ist kein Zufall: Der Chef ihres Unternehmens hat die hübschen Wohn-und-Garten-Parzellen von einem pleite gegangenen Bauunternehmer übernommen und seine Mitarbeiter dort einquartiert. Als Insolvenzverwalter hat man über die letzten Jahre eben ein priviligiertes Leben geführt, das ruft Neider auf den Plan. Auf dem Weg zur Arbeit fallen zwei der Pleitenabwickler Mauersteine von der Autobahnbrücke in die Windschutzscheibe.
So verschlägt es die Ermittler Ritter (Dominic Raacke) und Stark (Boris Aljinovic) in den Vorort – wo sie auf eine Art soziale Rundum-Insolvenz treffen. Nachbarschaftsstreits verhandelt man formaljuristisch, die sich auflösenden Familienverbände werden ebenfalls so kühl wie korrekt abgewickelt. Doch Christine Hartmann (Regie) und Frauke Hunfeld (Buch) vermeiden es, die üblichen Klischees von der Eigenheimhölle jenseits der Gartenzwerggrenze zu verbreiten. Die psycho-ökonomischen Verstrickungen in ihrem gar nicht so spießig anmutenden Suburbia sind komplexer. Was ist zum Beispiel bei den Bohrmanns los, die in Trennung leben? Herr Bohrmann (Florian Martens) guckt immer ein bisschen traurig aus seinem Trainingsanzug und fordert, dass sich die Kinder gesund ernähren und Sport treiben. Seine Frau (Christine Reinhart), die ebenfalls bei der Insolvenzverwaltung tätig ist, hat ihm indes längst das Besuchsrecht entziehen lassen. Ist er ein depressiver Gesundheitsfanatiker oder ist sie eine perfide Karrierezicke?
Man muss ein bisschen länger in Teltow verweilen, um die Verhältnisse zu verstehen. Die Details sind stimmig, die Charaktere fast nie überzeichnet. Das ist ja nicht immer so beim Berliner „Tatort“. Oft waren die Episoden aus der Hauptstadt, die ja kostengünstiger als in jedem anderen TV-Revier produziert werden, nur Ballungen von Gut-Böse-Stereotypen – nach einer Viertelstunde wusste man, wie der Hase läuft. Ritter und Stark hatten zwar immer ein paar humorige Auftritte, ein tiefer gehendes dynamisches Spiel zwischen den beiden entwickelte sich jedoch selten. Auch das ist nun in den erhellend ausgeleuchteten Wohlstandsattrappen anders: Während der allein erziehende Spießer Stark beim Anblick der auseinanderfallenden Familien die Contenance verliert, entwickelt der ewige Hallodri Ritter soziale Verantwortung.
Wie ungewohnt: ein kluger Tatort aus Berlin. CHRISTIAN BUSS