der wachtelkönig kriegt einen wassergraben : Klein, scheu, selten – aber hörbar
Klein ist das Vögelchen, scheu und unscheinbar dazu, und sein Ruf nicht eben melodisch. Dass sein knarrendes Krächzen allerdings ihm den wissenschaftlichen Namen Crex crex eingebracht habe, ist ein Gerücht – und vermutlich deshalb nicht aus der Welt zu schaffen, weil es so, nun, stimmig klingt. Den Wachtelkönig, wie der Winzling mit vollem Namen heißt, zeichnet aber noch eine Besonderheit aus, die allerdings so besonders heutzutage gar nicht mehr ist: Er ist ungeheuer selten.
Und weil er im Vergleich zu seinen täglich neu hinzukommenden Schicksalsgefährten schon lange auf der Roten Liste steht, wird er nun eingezäunt. Vor dem Neuenfelder und dem Nincoper Moor an der Landesgrenze von Hamburg und Niedersachsen wird sein Lebensraum seit gestern auf eine besondere Art geschützt. Ein drei Meter breiter, zwei Meter tiefer und 800 Meter langer Graben wird dort ausgebaggert, mit Wasser gefüllt und mit einem Zaun versehen. Denn diesseits der Grenze sollen bald in 1.250 zu bauenden Wohnungen Menschen leben, und die halten mitunter Katzen und Hunde. Und die wiederum sind nun gar nicht erwünscht im Reich des kleinen Bodenbrüters.
800.000 Euro muss Hamburg für den Schutz des Wachtelkönigs ausgeben, über dessen Vorkommen sehr unterschiedliche Schätzungen kursieren. Von etwa 15 Exemplaren geht der Naturschutzbund (NABU) aus, andere Experten wähnen gar 30 Paare in dem sumpfigen Areal, das die Niedersächsische Ornithologische Vereinigung ohne konkrete Angaben lediglich als „Schwerpunktlebensraum“ ausweist. Gesehen hat den scheuen Wiesenvogel kaum jemand, bestenfalls mal gehört. An der Stimme aber sind Wachtelkönige nun wirklich nicht zu unterscheiden und somit verlässlich zu zählen.
Aber es gibt ihn, und mit Hilfe des NABU hat er vor elf Jahren das ursprüngliche Bauprojekt mit sogar 3.000 Wohneinheiten gestoppt. Die EU hat den Vogel unter Schutz gestellt, und Hamburg musste ein paar Nummern kleiner planen. Und mittels Zaun und Wassergraben das tun, was die Stadtregenten nur ungern tun: ein Stückchen Restnatur respektieren. Sven-Michael Veit