der rote faden: In meiner großen und unerreichten Klugheit
Durch die Woche mit Ulrich Gutmair
Es gibt Wochen, die man lieber auf einer einsamen Insel verbracht hätte, statt Nachrichten zu hören. Für Donald Trump ist der Nahe Osten ein Ort, der wenig mehr verspricht als „Sand und Tod“, wie er in einer seiner Mitteilungen an die Welt einmal formuliert hat.
Am Sonntagabend kündigte seine Pressesprecherin den Abzug amerikanischer Truppen aus Nordsyrien an. Bald werde dort eine Operation der Türkei beginnen, die man „nicht unterstützen“ werde und in die man auch nicht „involviert“ sei. In der Diplomatie ist es wie im richtigen Leben: Am wichtigsten ist das, was nicht gesagt wird.
Die USA hätten Frankreich, Deutschland und andere europäische Länder vergeblich dazu gedrängt, gefangene IS-Kämpfer zurückzunehmen, die aus Europa in den Krieg gezogen waren und sich in Lagern der Syrian Democratic Forces im Norden Syriens befinden. Die Kämpfer*innen der SDF sind von den USA für den Kampf gegen den IS mit Waffen ausgestattet worden. Das, hieß es aus dem Weißen Haus, hätte die amerikanischen Steuerzahler schon viel Geld gekostet.
Selbst viele Republikaner reagierten verärgert bis erschüttert, sprachen vom „katastrophalen“ Fehler, die mehrheitlich kurdischen Verbündeten fallen zu lassen. Mitt Romney nannte Trumps Entscheidung schlicht „Verrat“.
Trump zwitscherte wieder. Seine Mitteilung entfaltet im englischen Original ihre ganze poetische Schlichtheit: „As I have stated strongly before, and just to reiterate, if Turkey does anything that I, in my great and unmatched wisdom, consider to be off limits, I will totally destroy and obliterate the Economy of Turkey (I’ve done before!).“
Am Dienstag betrauerte der Westen seinen desolaten Zustand.
Am Mittwoch versuchte in Halle ein „Einzeltäter“, der die Vernichtung von Millionen Juden durch das Naziregime leugnet, am höchsten jüdischen Feiertag möglichst viele Juden in einer Synagoge zu töten. Er erschoss eine Passantin und den Kunden eines Dönerladens. In einem „Manifest“ erklärte der Mann, er habe zunächst eine Moschee oder ein Antifa-Zentrum attackieren wollen. Für das Übel in der Welt machte er „den Juden“ und den Feminismus verantwortlich.
Am Donnerstag verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg die Republik Österreich. Die Richter gaben dem 96 Jahre alten Kläger Aba Lewit recht. Österreichische Gerichte hätten die Diffamierungen einer rechtsextremen Zeitschrift „nicht angemessen berücksichtigt“. Im Sommer 2015 hatte das Magazin Aula einen Artikel veröffentlicht, in dem die im Jahr 1945 befreiten Häftlinge des Konzentrationslagers Mauthausen als „Kriminelle“, „Landplage“ und „Massenmörder“ bezeichnet wurden, die „plündernd“ durchs Land gezogen seien. Ein Ermittlungsverfahren gegen den Autor wurde eingestellt. Die zuständige Staatsanwältin befand, es sei „nachvollziehbar“, dass die befreiten Häftlinge eine „Belästigung“ für die Bevölkerung dargestellt hatten. So ermuntert, berichtete derselbe Autor in Aula im Jahr 2016 über die Einstellung des Verfahrens und wiederholte seine Aussagen wörtlich.
Aba Lewit war selbst bis zur Flucht der SS-Wachleute im Mai 1945 in Mauthausen gefangen gehalten worden. Er und neun weitere Überlebende von Konzentrationslagern klagten daraufhin wegen Verleumdung gegen das Magazin sowie den Autor. Im medienrechtlichen Verfahren wies das Oberlandesgericht Graz ihren Antrag ab.
Im Stadion von Teheran feierten am selben Tag 3.500 iranische Frauen ihre offizielle Anwesenheit bei einem Fußballspiel. Der Fußball-Weltverband Fifa hatte im September von der Islamischen Republik die Aufhebung des Stadionverbots für Frauen gefordert. Das Qualifikationsspiel zur Weltmeisterschaft 2022 zwischen Iran und Kambodscha ging 14:0 für Iran aus, wobei, wie die Nachrichtenagentur AFP meldete, „jedes Tor zu noch lauteren Jubelschreien von den weiblichen Fans führte“, die eigene Tribünen zugewiesen bekommen hatten.
Die Aufhebung des Stadionverbots in Iran gilt bisher aber nur bei Fifa-Spielen. Viele weibliche Fußballfans verkleiden sich als Männer, um bei Spielen ihrer Teams dabei sein zu können. Im vergangenen Monat hatte sich Sahar Chodajari aus Angst vor einer Verurteilung selbst in Brand gesetzt, weil sie als Mann verkleidet ein Spiel besucht hatte.
Ebenfalls am Donnerstag bekam Thomas Pynchon einmal mehr den Literaturnobelpreis nicht. Über die Seiten seines postmodernen Jahrhundertromans „Gravity’s Rainbow“ hat er vier „Sprichwörter für Paranoiker“ verteilt. Nummer eins lautet: „Du magst den Meister nie zu fassen kriegen, du kannst nur seine Kreaturen kitzeln.“
Am Freitag wurde die Nachricht verbreitet, dass jeder zweite Deutsche das Klimapaket der Bundesregierung für nicht ausreichend hält.
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