der rote faden: Woher weißt du, dass es Liebe ist?
Durch die Woche mit Ebru Taşdemir
Herrlich, die Geburt des kleinen Archie flippte als Eilmeldung aufs Handy! Ist doch nur ein Kind aus einer Mama gekommen, denken sich mürrische Zeitgenossen vielleicht. Aber Leute wie die Pushnachrichtenredaktion von GMX und ich, wir mögen Kinder halt. Und freuen uns bei jedem Kind mit.
Während die halbe Welt mit den Eltern jubiliert, ist derweil bereits das erste Opfa zu beklagen. Opfas sind Menschen, die denken, dass sie voll nett sind. Sie haben es nie so gemeint. Sie sind witzig, solange der Witz nicht auf ihre Kosten geht. Und sie sind Opfas der „Die Pointe wird man ja wohl noch bringen dürfen“-Idee. Wie der britische Radiomoderator Danny Baker, der das Bild des Babys von Prinz Harry und Meghan Markle am Donnerstag mit dem eines kostümierten Affenbabys gleichsetzte. Bezeichnenderweise auf Twitter. Jener Plattform also, von der man sich manchmal wünscht, dass die Menschen dort nicht jeden Gedankenrülpser auf 280 Zeichen verkünden.
Auf jeden Fall las die Arbeitgeberin des Radiomoderators, die BBC, mit und kündigte Baker. Rassismus ist zum Glück keine Einbahnstraße, mit Gegenverkehr ist zu rechnen. Der Moderator entschuldigte sich sinnigerweise noch damit, dass er das Bild lustig finde. Hat aber als Brite nicht bedacht, dass mit den Royals nicht zu spaßen ist.
Dass Schwarze Menschen mit Affen verglichen werden, kennt man sonst nur aus Fußballstadien, wo Schwarze Fußballspieler mit Affenlauten begrüßt werden. Oder auch aus dem Opfa-Zoo Dresden, wo vor zehn Jahren ein frisch geborenes Affenbaby den Namen „Obama“ erhielt.
Am Sonntag werde ich den Reißverschluss meiner Filterblase bis ganz nach oben zuziehen und den Muttertag feiern. Mit allem Krawumms. Die Kinder decken den Frühstückstisch, ich wünsche mir dazu Blumen und frische Brötchen, so wie in der Rama-Werbung, und schicke meiner Mutter und allen Müttern in meiner Mütterfilterblase bunte Blumenbilder per WhatsApp. Danach geht es ab in den Zoo oder in den Wildtierpark, und überall werden wir Mütter einen weiteren Muttertag gemütlich rumkriegen. Wir werden uns verschwörerisch im Streichelzoo anlächeln und Futter aus dem Automaten für die Mutter- und Babyziegen ziehen.
Wir werden das Ideal der Mutter in die Welt hinaustragen und für einen Tag feiern, dass wir mit den Früchten unserer Eierstöcke die Rentenkassen aufbessern. Vielleicht gelingt uns noch der Abstecher in ein schönes Café, und ich werde fragen, ob die Bedienung Kinder hat und warum sie ausgerechnet heute arbeiten muss.
Nein, natürlich werde ich das nicht fragen, genauso wenig wie Sie. Irgendwann im Laufe des Tages werde ich wohl auch kurz den Drang verspüren, den Muttertag lächerlich zu machen, weil er eben genauso bescheuert ist wie ein Valentinstag oder die ganzen anderen Feiertage, an denen man einen Toaster geschenkt kriegt oder ein Bügeleisen und glücklich darüber sein muss (brauche übrigens dringend eine Küchenwaage).
Vielleicht werden Sie sich über die Heiligsprechung der Mutter als solche aufregen und trotzdem kitschige Bildchen an ihre Mutter weitersenden, einfach weil sich das nach Liebe anfühlt. Egal was sie machen, ob sie feiern oder nicht: Denken Sie an diesem Tag ein wenig an Dilek Imamoğlu. Sie ist Mutter von drei Kindern und leider nur als Frau des Istanbuler Bürgermeisterkandidaten Ekrem Imamoğlu bekannt.
Am Montag gab die türkische Wahlkommission bekannt, dass am 23. Juni in Istanbul die Wahl wiederholt wird. Seitdem wird in Istanbul laut protestiert, sinnigerweise hauen Frauen mit Kochlöffeln dabei auf leere Kochtöpfe, was an sich schon eine tolle Protestform ist, weshalb man auch mal über Kochtopfsets als Muttertagsgeschenk nachdenken sollte. Aber ich schweife ab.
Also: Die Regierungspartei AKP will, dass ihr Istanbuler Kandidat Binali Yıldırım erneut gegen Imamoğlu, den Hoffnungsträger der Opposition, antreten soll. Wie es ausgehen wird, darüber mag man spekulieren, aber klar ist, dass seine Frau klasse ist. Wieso? Deshalb: Für viele ist diese blonde, europäisch anmutende Frau der Gegenentwurf zu den Damen der AKP-Riege. In den sozialen Medien wurde das Aussehen der 45-Jährigen Dilek Imamoğlu mit dem Aussehen der 65-jährigen Kopftuchträgerin Semiha Yıldırım, Frau des AKP-Kandidaten, verglichen. So weit, so plump. Und ich sage es mal so: Komplimente regnete es nur für die blonde First Lady der Istanbuler Opposition. Und sie hätte sich geschmeichelt fühlen können. Aber Dilek Imamoğlu verurteilte in einem Interview diesen Vergleich. „Das wertet mich nicht auf, im Gegenteil. Ich sehe meine Schwester, meine Mutter in ihr.“ So kann es auch gehen.
Alles Gute zum Muttertag, liebe Dilek, und ich wünsche mir allzeit Frauen*, die diese dummen Spielchen durchschauen und benennen. Wenn das nicht Liebe ist.
Nächste Woche Klaus Raab
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen