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der rote fadenHätte Sigmar Gabriel mal lieber die Beatles gehört

Foto: Jan Schmidbauer

Durch die Woche mitJohanna Roth

In Goslar fing alles an, in Goslar geht es nun zu Ende. Dort, im Wintergarten mit Rattanmöbeln, sitzt der deutsche Außenminister und schmollt. Zwischendurch will mal ein Reporter ein Statement, dann zitiert Sigmar Gabriel seine kleine Tochter Marie: „Du musst nicht traurig sein, Papa, jetzt hast du doch mehr Zeit mit uns. Das ist doch besser als mit dem Mann mit den Haaren im Gesicht.“ Nimm das, Onkel Martin!

Trockenrasur

Für den obersten Diplomaten des Landes hat Sigmar Gabriel rhetorisch schon immer ziemlich wüst zugelangt, seinen letzten Hieb platzierte er folgerichtig besonders tief unter der Gürtellinie. Und traf. Die SPD drehte völlig durch, Schulz zog seinen Anspruch auf das Ministeramt wieder zurück. Die Trockenrasur durch Familie Gabriel war wohl doch zu viel für seine ohnehin schon schwer angegriffene Beliebtheit. Andererseits: Sind Männer mit Bärten nicht irgendwie immer hip?

Tatsächlich war Gabriel, obschon glattgesichtig, ja selber mal hip, von genau 2003 bis 2005 nämlich, als Beauftragter für Popkultur und Popdiskurs der SPD. Damals in Niedersachsen, als er schon einmal aus dem Amt gekickt wurde – durch Christian Wulff , der nach gewonnener Landtagswahl an Gabriels statt Ministerpräsident wurde. Für den Verlierer in Goslar brauchte es dann etwas Neues, angemessen Staatstragendes, also erkannte die SPD souverän: Wir brauchen „Siggi Pop“, dann läuft’s auch wieder mit den Wählern! Ach, wie gut es dieser Partei mal ging. Gabriel zog den Quatsch zwei Jahre lang durch, ertrug den Spott und die Demütigungen – und kam irgendwann ganz oben an. Dass er nun da wieder weg soll, müsste trotzdem ihn am allerwenigsten wundern, schließlich hat er in den letzten Jahren gnadenlos alles überrannt, was auch mal mitmachen wollte bei dieser SPD, Parteibasis inklusive.

Love Me Do

Hätte er doch diesmal einfach geschwiegen, anstatt auch noch das eigene Kind vorzuschicken, und sich stattdessen mit einem Whisky ins Halbdunkel zurückgezogen, um mal wieder das erste Album der Beatles anzuhören, das an diesem Wochenende 55 Jahre alt wird. Eingespielt wurde es damals an einem einzigen Tag, von zehn Uhr morgens bis viertel vor elf am Abend, in den berühmten Studios in der Abbey Road, und es ist nicht überliefert, dass sich John und Paul auch nur eine Minute lang gegenseitig an die Bärte gegangen wären (was allerdings auch der Tatsache geschuldet sein könnte, dass sie damals noch gar keine hatten, sondern immer noch die Frisuren aus der ersten Klasse, die eine ausreichend große Lücke ließen für Pauls beachtliche Segelohren).

„Love Me Do“ ist auf diesem Album, den Song kennen auch Nicht-Popbeauftragte, und vielleicht geht es ja auch einzig und allein um diesen heimlichen Wunsch bei jenem Gewüte der Politikmänner, die um ihre Bauklötze fürchten. Ob da einer den anderen dann als „Mann mit Haaren im Gesicht“ zeichnet, als „alten Irren“ (Kim Jong Un über Donald Trump) oder als „klein und fett“ (Donald Trump über Kim Jong Un): Lächerlich sind sie immer und allesamt.

Dreamer

Sowieso sind die Frauen die wirklich Harten im Geschäft. Bestes Beispiel: Nancy Pelosi, Fraktionschefin der Demokraten im US-Repräsentantenhaus. Sie wollte die Republikaner zwingen, ein Gesetz zu verabschieden, das junge Einwanderer in den USA vor Abschiebung schützt. Also erzählte sie die Geschichten solcher „Dreamer“, eine nach der anderen, irgendwann gingen sie ihr aus, und sie zitierte Bibelverse. Unglaubliche 8 Stunden lang zog sie das durch. Pelosi ist 77 Jahre alt und hielt ihre Rede auf 10-Zentimeter-Pfennigabsätzen stehend, trank höchstens mal einen Schluck Wasser, ohne auch nur eine Toilettenpause einzulegen. Sie toppte damit zwar nicht die Beatles, aber den Rekord für die längste Rede im Repräsentantenhaus seit 1909.

Thatcher

Auf so etwas Großes werden wir hierzulande vergeblich warten, aber immerhin haben wir eine Kanzlerin, die schlaflose Nächte mit Horst Seehofer verbringt, während deren jener einfach seelenruhig dasitzt und wartet („Ich habe dann gerne eine Mandarine oder eine Orange geschält, weil das wenigstens eine Betätigung war“), bis er bekommt, was er will. Und so wurde aus dem Mann, der Angela Merkel wegen ihrer Flüchtlingspolitik vor das Bundesverfassungsgericht zerren wollte, ihr künftiger Innenminister.

Am 11. Februar 1975 übrigens wurde Margaret Thatcher als erste Frau zur Vorsitzenden der britischen Konservativen gewählt, was damals ähnlich revolutionär war wie heute die Aussicht, dass die deutschen Sozialdemokraten bald von einer Frau geführt werden sollen. Schade, dass der Titel der Eisernen Lady schon vergeben ist, denn: „Mit offenem Visier“, wie Gabriel es von Schulz ja so gerne gehabt hätte, wird Andrea „auf die Fresse“ Nahles, die einst den noch eiserneren Münte stürzte, ganz sicher kämpfen. Fragt sich: Wird Martin Schulz, erster und einziger Kanzler der Internetherzen, jetzt endlich Popbeauftragter?

Nächste Woche Nina Apin

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