piwik no script img

der rote faden Geleaktwird immer

Durch die Woche mit

Meike Laaff

Til Schweiger

Da muss man Til Schweiger auch mal dankbar sein. Katastrophale Zustände auf Kos. Mazedonien macht Grenzen dicht. Der Innenminister mit seiner infamen Forderung, den Flüchtlingen in Deutschland das Taschengeld zu kürzen. Und dann diese Bilder: Von vor Erleichterung weinenden Menschen an griechischen Stränden. Von den beschämenden Zuständen in deutschen Flüchtlingsheimen.

Und für alle, die eine echte Meinung überfordert, für die gab es diese Woche mit Schweigers „Sie gehen mir auf den Sack“-Auftritt bei Maischberger einen hübsch niedrigschwelligen Einstieg in die Flüchtlingsdebatte. Denn zum Feuilletonhasser und Feuilletonhassobjekt Schweiger weiß fast jeder etwas zu sagen – auch Leute fernab jedes politischen Interesses. Und die erreicht Schweiger mit seiner Rumpelei viel besser als jeder noch so politisch korrekte linke Aufruf. Fast schon ein bisschen egal, ob aus seinen vollmundigen Ankündigungen für den Bau eines Flüchtlingsheims am Ende tatsächlich etwas wird.

Agendasetting wird auch das größte Verdienst einer kleinen rosa Pille bleiben, die in den USA zugelassen wurde: Flibanserin, genannt Pink Viagra, soll Frauen mehr Lust auf Sex machen. Was bei Testerinnen in eher homöopathischen Dosen funktionierte: einmal mehr Sex im Monat – im Austausch für Ohnmachtsanfälle und andere Nebenwirkungen. Gerade weil das nach „Frauengold“ und Schnürkorsettzeitalter klingt, ein hübscher Anlass, mal darüber zu reden, was es bedeutet, weibliche Lust qua Psychopharmaka anzuwerfen.

Flibanserin

Wobei das in den USA fast unterging, weil ein anderes Untenrumthema sich nach vorne drängte: die Veröffentlichung von Nutzderdaten der englischsprachigen Seitensprung­seite Ashley Madison. Mailadressen, Kreditkartentransaktionen, Chatlogs und interne Mails sollen darunter sein. Von 33 Millionen Nutzern. Geleakt von einem oder mehreren Hackern, die sich „Impact Team“ nennen. Deren Erzählung: Man wollte die Betreiber der Seitensprung-Plattform Ash­ley Madison treffen – die betrügen angeblich ihre Kunden. Tatsächlich aber lässt der Leak alle nackig dastehen, die dort über ein Profil verfügen. Was gerade in den USA, wo ja schon jeder blanke Nippel ein größerer Aufreger ist als viele Gewaltverbrechen, ein Hammer ist.

Drei, zwei, eins – Onlinemedienschlachtfest: Während die einen US-Blogs schon mit beiden Händen im Datendump nach Prominenten und Politikern fahndeten, veröffentlichten andere Medien die Informationen, wo man online die Daten, die ursprünglich auf einer anonymisierten Onion-Seite im Tor-Netzwerk auftauchten, nach E-Mail-Adressen durchsuchen kann. Was man, wie jene Medien immer wieder scheinheilig betonten, nicht solle. Was natürlich keinen einzigen misstrauischen Ehepartner, Boulevardjournalisten oder sonstige sensationsgeilen Digitalspanner auch nur eine Sekunde abhalten wird.

Ashley Madison

Wobei sie sich beeilen müssen. Denn Ashley Madison versucht nun, Seiten und Artikel aus dem Internet nehmen zu lassen, die die geleakten Daten durchsuchbar machen oder darüber berichten. Unter Berufung auf Copyrightverletzung.

Fappening

Fragten sich Digitalaktivisten schon vorher, ob die Hacker eigentlich noch alle Latten am Zaun haben, drückt aber spätestens das endgültig alle Knöpfchen auf der Klaviatur der Digitalerregung: Zu recht erregten sich Digitalprominenz wie der SciFi-Autor und Aktivist Cory Doctorow, hier werde das Copyright, genauer: der sogenannte Digital Millenium Copyright Act, missbraucht, um unliebsame Informationen zu unterdrücken. Parallel dazu debattierten Journalisten ihr Lieblingsthema Medienethik und was man nun wie über die Leaks veröffentlichen dürfe. Und während die pubertären Teile des Internets witzeln, wie steinreich das alles Scheidungsanwälte machen wird, unkten andere über Verbindungen der Hacker nach China, über Diplomatie und Erpressbarkeit von Politikern.

An Fappening – den Leak privater Nacktfotos prominenter Schauspielerinnen – erinnert ohnehin vieles. Was in den vergangenen Jahren über Leaks gesagt wurde, können Sie hier nochmal recyceln. Also außer den Argumenten, in denen es um konstruktive Transparenz geht. So wie bei der Enthüllung in der New York Times, in der stand, was für ein Psychoterror bei Amazon herrsche. Firmenchef Jeff Bezos soll aus allen Wolken gefallen sein.

Oder bei Netzpolitik.org, Stichwort #Landesverrat-Affäre. Auch hübsch: der kleine deutsche Mailanbieter Posteo.de, der Briefe veröffentlichte, die zeigen, wie Strafverfolgungsbehörden Auskünfte über Nutzer bei Posteo beantragen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen