der rechte rand : Die NPD nach den Wahlen
Wegschauen geht nicht: 25 Prozent mehr Neonazis haben die Verfassungsschützer im vergangenen Jahr gezählt. Für die taz nord beobachtet Andreas Speit den rechten Rand. Kontinuierlich.
Nach der Wahl ist vor der Wahl – auch für die „Nationaldemokratische Partei Deutschland“ (NPD). Während die Parteien im Bundestag noch um die Regierung streiten, verfolgt die NPD bereits ihre zukünftige Strategie: Als „Volksfront von rechts“ will sie weiterhin mit der „Deutschen Volksunion“ (DVU) und den „Freien Kameradschaften“ (FK) Stimmungen in der „Mitte der Gesellschaft“ aufgreifen.
Die NPD hat am 18. September ihren Stimmenanteil mit 1,6 Prozent vervierfachen können, das ist auf Bundesebene ihr bestes Ergebnis seit 1969. Auch in den nördlichen Bundesländern legte die älteste Neonazipartei deutlich zu. Nun wollen die Rechtsextremen gezielt vor Ort auf sozialpolitische Projekte und ökologische Initiativen zugehen – von einem „Sturm des Reichstags“ hatte der Hamburger Spitzenkandidat Jürgen Rieger zwar vor der Wahl, aber nicht mehr nach der Wahl gesprochen.
Die NPD weiß, dass ihnen bundesweit das nötige Personal dafür fehlt. Umso mehr bejubeln die Nord-Verbände ihre Wahlergebnisse: In Hamburg und Schleswig-Holstein gaben ein Prozent der Wähler der NPD ihre Stimme. In Bremen erhielten sie 1,4 Prozent, in Niedersachen 1,3 Prozent und in Mecklenburg-Vorpommern 3,5 Prozent.
Im niedersächsischen Dörverden, wo Rieger das Neonazizentrum „Heisenhof“ unterhält, verzehnfachte sich das Ergebnis: Der Direktkandidat Rigolf Hennig erhielt 4 Prozent. In Ostvorpommern erzielte die NPD in Bargischow 16,8, in Neuenkirchen 16,6 und in Postlow 15,5 Prozent. Auch in Westmecklenburg konnte sie sich regional verbessern. In Lübtheen, dem Wohnort des NPD-Landeschefs Stefan Köster, bekam sie 8,6 Prozent. Köster gewann mehr Stimmen als die Vertreter von FDP und Grünen zusammen.
Die NPD ist damit fest in der Region verankert. Und so stört sich die „Bürgerinitiative ‚Braunkohle nein‘“ auch kaum an der rechten Unterstützung (taz berichtete). Stattdessen greift der Vorsitzende der Initiative, Kai Hagen, Kritiker als „Linksextremisten“ an. Der Chef des Verfassungsschutzes, Gottfried Timm, warnt vielmehr, dass die NPD mit ihrem Engagement bei der Bürgerinitiative an „Seriosität“ gewinne.
Längst besteht in Mecklenburg-Vorpommern eine rechte Szene, die gesellschaftlich eingebettet ist. Nach Sachsen will die NPD jetzt dort die „zweite Modellregion“ aufbauen, befürchtet Christian Sell von der Mobilen Beratungsstelle für demokratische Kultur aus Greifswald. Eine „doppelte Verankerung“ scheint der NPD zu gelingen. Hajo Funke, Politikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin, betont: Die Partei habe sich in der „rechten Jugendszene etabliert“ und „auch regionale Anerkennung bekommen, wo sie mit dem Biedermeiergesicht agiert“. Sollte sie sich auf kommunaler Ebene weiter etablieren, könnte sie sich bei den Landtagswahlen der Fünf-Prozent-Hürde nähern.
Nichts anderes möchte Thomas Wulff, der Wahlkampfleiter der NPD in Mecklenburg-Vorpommern. „Ich hoffe, dass ihr alle nunmehr auch bereit seid, mir zu folgen: Der Nationale Widerstand muss nun den einmal begonnenen Wahlkampf fortsetzen“, sagt Wulff, der auch im Netzwerk der FK führend ist. Denn einige Neonazis, wie der FK-Anführer Christian Worch, schimpfen noch über die Volksfront. Worch fragte bissig, wie sich sein früher engster Vertrauter Wulff, der sich „zwei Jahrzehnte“ als „Nationalsozialist“ verstanden habe, nun bezeichnen wolle. Worchs Anwurf, Wulff könne seinen Namen nach einem potenziellen Einzug in den Landtag Mecklenbug-Vorpommerns, „mit dem Kürzel ‚MdL‘ schmücken“, stört indes die wenigsten Neonazis.