der rechte rand : Deutsche Würste gegen Döner
Wegschauen geht nicht: 25 Prozent mehr Neonazis haben die Verfassungsschützer im vergangenen Jahr gezählt. Für die taz nord beobachtet Andreas Speit den rechten Rand. Kontinuierlich.
Härtere Strafen, besserer Verbraucherschutz – das sind die Konsequenzen, die landauf landab aus den Fleischskandalen gezogen werden sollen. Für Klaus Bärthel, Stadt- und Kreistagsvertreter der NPD in Mecklenburg-Vorpommern, geht es jedoch um etwas ganz anderes. Nämlich um „Gammeldönerfleisch“, wie er es nennt, und die reinrassige deutsche Wurst. Bärthel hat in Ludwigslust recherchiert: „Wir haben fünf Dönerbuden bei fast 13.000 Einwohnern im Ort, aber nur einen echten Würstchenstand, bei dem man eine deutsche Currywurst bekommt.“
Die Debatte um das Gammelfleisch ist nur ein Beispiel dafür, wie Neonazis aktuelle Themen aufgreifen, um sich in der kommunalen Politik zu verankern. Die eindeutigen Parolen weichen dabei offenen Assoziationen. Statt „Türken raus“ oder „Arbeit nur für Deutsche“, fragen sie, ob Projekte für Einwanderer nicht gescheitert seien und die Arbeitsmarktreform Hartz IV gegenüber den früheren Einzahlern nicht ungerecht wäre. Die weiterführenden Forderungen bleiben unausgesprochen. Sollen Döner nur noch von Deutschen verkauft werden? Esst nicht beim Türken?
Auf diese Weise schafft sich die NPD, unterstützt von den „Freien Kameradschaften“ (FK), gesellschaftliche Akzeptanz. Selten sind sich Parteien, Verfassungsschutz (VS) und Initiativen so einig. „In bestimmten Regionen sind die Rechten fest verankert“, sagt Eckhard Heins von der „Landesweiten Opferberatung für Betroffene rechter Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern“. Und laut Innenminister Gottfried Timm gewinne die NPD an „Seriosität“. Gut neun Monate vor den Landtagswahlen befürchten sie, dass die NPD in das Schweriner Parlament einziehen könnte.
Schon die Bundestagswahlergebnisse beunruhigten. Landesweit erhielt die Partei um Stefan Köster 3,5 Prozent der Zweitstimmen. In 35 Gemeinden erreichte sie zweistellige Ergebnisse. „Kein Zufall“, sagt der Verfassungsschutz. Seit Jahren bestehen in diesen Städten und Gemeinden verfestigte rechte Strukturen, denen ein Einfluss auf Teile der Bevölkerung gelungen sei. Rostock, Ludwigslust und Lübtheen sind nur drei Regionen im Westen des Landes, wo die NPD eine Stammwählerschaft heranziehen konnte. Ihre Mitglieder, etwa 180 NPDler und rund 320 FKler, gründen Bürgerinitiativen, arbeiten in Tanz- und Trachtenvereinen und helfen bei Sportvereinen und Kinderfesten. Mit der Arbeit vor Ort legen sie sich ein gutbürgerliches Image zu. Um einen Wahlerfolg nicht durch eigene Fehler zu gefährden, ermahnt Thomas Wulff, NPD-Wahlkampfleiter und FK-Führer, die Kameraden, Streitereien zu unterlassen. Die große Akzeptanz der rechten Szene offenbarte erneut die „Bürgerinitiative Braunkohle – Nein!“ in der Griesen-Gegend, die von den Rechten unterstützt wird.
Die mecklenburgische NPD will sich weiter in der Jugendszene und der regionalen Kommunalpolitik etablieren. Mittlerweile möchte nun die CDU mit einem „Bündnis für Demokratie“ einen NPD-Erfolg verhindern. „Wenn alles so weiterläuft wie bisher, dann kommt die NPD ins Landesparlament“, warnt auch der Greifswalder Rechtsextremismusforscher Professor Hubertus Buchstein. Wie schwierig die Auseinandersetzung wird, deutet eine Beobachtung des VS an: Der Stimmengewinn der NPD sei der Sorge der Menschen vor dem „Umbau des Sozialstaates“ und einer „verfestigten fremdenfeindlichen Einstellung“ geschuldet.