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Archiv-Artikel

der rechte rand Ein Club von Biedermännern

Wegschauen geht nicht: 25 Prozent mehr Neonazis haben die Verfassungsschützer im vergangenen Jahr gezählt. Für die taz nord beobachtet Andreas Speit den rechten Rand. Kontinuierlich.

Die Neonazis in Mecklenburg-Vorpommern sind zuversichtlich. In knapp neun Monaten, am 17. September 2006, wird ein neuer Landtag gewählt. Und weder SPD noch CDU oder Linkspartei schließen den NPD-Einzug ins Schweriner Schloss aus. Der NPD-Landesvorsitzende Stefan Köster verkündete bereits: „Sieben Prozent plus X streben wir an.“

Groß widersprechen möchten Verfassungsschützer und Wissenschaftler nicht. Vielmehr warnt Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Gottfried Timm (SPD), die NPD gewinne mit ihrem Engagement bei Bürgerinitiativen an „Seriosität“.

Rechtsextremismusforscher Hubertus Buchstein, Professor an der Uni Greifswald, befürchtet ebenfalls, dass die Partei mit einer „Legal-Strategie“ erfolgreich sein könnte. Seriöses Auftreten, legales Handeln und kommunale Verankerung, so lauten seit Monaten die Vorgaben bei NPD und „Freien Kameradschaften“ (FK). Sie unterstützen Bürgerinitiativen, gründen Interessengruppen, arbeiten in Tanz- und Trachtenvereinen und helfen bei Sportklubs und Kinderfesten. Bei Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte wie in Dranske am 31. Dezember schweigen sie einfach über ihre geistigen Freunde.

Die NPD mit über 200 Mitgliedern im Nordosten und die FK mit ihrem Umfeld von etwa 1.000 „Kameraden“ verdankte schon bei der Kommunalwahl 2004 ihrem gutbürgerlichen Image den Einzug in sieben Stadtvertretungen und Kreistagen. Tendenz steigend. Bei der Bundestagswahl gewann die NPD 3,5 Prozent. In 35 Gemeinden erreichte sie zweistellige Ergebnisse. Vor allem dort, wo NPD und FK verankert sind, erreichten sie mehr als zehn Prozent. In Ueckermünde etwa gewann Timo Müller, Kader der FK, 21,8 Prozent. Mit der „Bürgerinitiative Schöner Wohnen in Ueckermünde“ sammelte er 2003 rund 2.000 Unterschriften gegen ein geplantes Asylbewerberheim. In Anklam erlangte Michael Andrejewski, NPD-Stadtverordneter, 10,3 Prozent. Wird die Beteiligung von Kommunal- und Bundestagswahl berücksichtigt, verdoppelten sich die Stimmen. Mit 8,6 Prozent blieb Köster, Kreistagsabgeordneter in Ludwigslust, unter 10 Prozent. In seinem Wohnort Lübtheen gewann er aber mehr Stimmen als die Vertreter von FDP und Grüne zusammen.

Um das erworbene Image nicht zu gefährden, kandidiert der Landeschef nicht. Ihn erwartet ein Prozess wegen Körperverletzung. Als Spitzenkandidat darf Udo Pastör, der in Lübtheen ein Schmuckgeschäft betreibt, antreten. Der biedere, ältere Herr ist, trotz seiner bekannten Gesinnung, angesehen. Die Bürgerbewegung „Braunkohle – Nein!“ stört das Engagement ihres Gründungsmitglieds nicht. Am 4. Februar wird die NPD die Kandidatenliste schließen. Bis dahin dürfte Thomas Wulff, NPD-Bundessekretär und FK-Führer, weiter für die Zusammenarbeit der „Volksfront von rechts“ werben. Mittlerweile sind auch fast alle FK-Anführer der NPD beigetreten. Etliche Kameraden in Rostock (13), in Ost- und Nordvorpommern (20 bzw. 10) folgten.

Vergangene Woche einigten sich die Fraktionsspitzen aller Parteien auf ein Landesprogramm: „Demokratie und Toleranz gemeinsam stärken“. Geld alleine gegen Rechts reicht nicht. Etwa 170.000 Menschen sind ohne Chance auf dem Arbeitsmarkt. Viele leiden an den Härten von Hartz IV und vor Ort gehen die andere Parteien kaum auf sie ein. Prompt werfen die FK ein: „Trotz leeren Haushaltskassen und steigenden sozialen Nöten“ scheue das Land keine Kosten für „so genannten Projekte gegen Gewalt und Kriminalität“. Am 1. Mai will die NPD in Rostock aufmarschieren. Motto der bundesweiten Großdemo am „Tag der Arbeit“: „Arbeit zuerst für Deutsche!“