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Archiv-Artikel

der kommentar Eltern haften für ihre Kinderchöre

Von FRA

„We don’t need no children’s choirs!“ Trotzdem sind sie wieder da, verkleben das Radio und verpesten den Pop

Es klang ja ganz nett, einmal, zweimal. In „School’s Out“ bei Alice Cooper beispielsweise, 1972. Oder in „Grocer Jack“ von Mark Wirtz, in den Sechzigern war das. Aber sobald der akustische Reiz nicht mehr recht wirken wollte, sobald also der Witz erzählt und allenthalben verstanden worden war, da hatte der Kinderchor als exotisches Stilmittel sein Verfallsdatum überschritten.

Der „children’s choir to end all children’s choirs“ erschien 1979 auf der Pink Floyd-Single „Another Brick In The Wall“, und seitdem ließ die Finger von Kinderchören, wer sich nicht zum Gespött des Publikums machen wollte. Doch das Grauen, es ist zurückgekehrt. Den Anfang machten hierzulande Blumfeld mit „Mein System kennt keine Grenzen“, wo die plärrenden Blagen noch als blumfeldtypisch ironisch-oder-vielleicht-auch-nicht durchgehen konnten. Einfach nur glockenhell klingen soll’s bei Badly Drawn Boy, der über jeden Ironieverdacht erhaben ist und von dessen Album „One Plus One Is One“ ohne Kinderkehlen nicht viel übrig bliebe.

Auch der samplewütige HipHop scheint von einem innigen Kinderwunsch getrieben, wie Jay Z mit „Hard Knock Life“ und zuletzt auch Eminem bewiesen („Like Toy Soldiers“). Gehörte früher das Geballer mit halbautomatischen Gewehren zum guten Ton im Rap, so ist es heute das Klimpern mit Klunkern und der Gesang der Gören. Wir werden halt alle nicht jünger.

Dabei singen die Kinder nie, was Kinder womöglich sängen, so man sie ließe – nein, im Pop tut Kindermund stets Slogans kund, sei’s bei den verplapperten Kettcar oder Mia, die 2004 ihren Chor sogar mit auf die PopKomm-Bühne nahmen. Wie süß!

Auf der aktuellen Single „All 4 One“ des Rappers Kool Savas singen die Kinderlein sogar solches: „Es ist Zeit, dass sich einiges ändert hier, denn ihr habt leider wenig bewegt, lass uns kämpfen, dass hier einiges besser wird, ansonsten ist es für uns alle zu spät.“ Ist’s der offizielle „Children’s Choir“ von CDU und CSU?

Nein, nur ein weiteres Zeichen der Verwandlung des deutschen HipHop in eine musikalische Filiale der bräsigen Bundeszentrale für politische Bildung. FRA