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Archiv-Artikel

der homosexuelle mann … von ELMAR KRAUSHAAR

… ist kein Geheimnis mehr. Heteros halten schon seit langem ihre Klischees parat, um den sexuell anderen auszugrenzen: breitere Hüften, Fistelstimme, kurze Trippelschritte und ein kleiner Finger, der sich abspreizt, sobald eine Tasse naht. In Ermangelung eines gesicherten Eigenbildes haben Schwule diese albernen Vorstellungen übernommen und sich lange Zeit gefragt, warum sie dann doch nicht so sind wie dieses Zerrbild.

Bis die Schwulen die Regeln selbst in die Hand genommen und sich neu entworfen haben. Herausgekommen sind Bilder und Zeichen, die keinen Deut besser sind, genauso engstirnig und einfältig wie das vom Gegner gezeichnete Image. Das Internet ist voll von Tests, mit denen unsichere Kandidaten sich in nur zehn Minuten Gewissheit verschaffen können über ihren aktuellen Homo-Status. „Wie schwul bist du wirklich?“, steht darüber oder „Bin ich eigentlich schwul?“ oder „Der ultimative Homo-Test“.

Und wenn man dann bei der Lieblingsfarbe „rosa“ angekreuzt hat und „Cocktail“ beim Lieblingsgetränk, und „Ja“ antworten kann auf die Frage „Hast du schon mal einen Mann geleckt?“ und „Nö, will ich auch gar nicht.“ bei der Unterstellung „Hast du schon mal eine Frau geküsst?“ – na, was wird da wohl rauskommen? Hat man einen Test gelesen, hat man alle gelesen, weit und breit kein Witz, stattdessen Ironie, die quietscht, und viele dumme Vorstellungen darüber, wie schwules Leben aussieht.

Da sind die Franzosen vom Schwulenmagazin Têtu in ihrem Sommer-Spezial schon ein bisschen pfiffiger. „Sind Sie wirklich schwul?“, lautet auch bei ihnen die Frage und lässt sich nach gerade mal 15 Schritten beantworten. Da wird zum Beispiel gefragt: „Wen lieben Sie am meisten? a) Ihre Mutter, b) Ihren Boyfriend, c) Ihren Computer oder d) Whitney Houston?“ Da wird’s schon schwieriger mit den Vorurteilen und den Klischees. Und was antwortet man erst auf die Frage: „Was bedeutet Ihnen Britney Spears? a) sie ist eine Schlampe, b) wichtiger als Gott, c) eine Künstlerin, deren Tanzschritte Sie heimlich zu Hause probieren, d) Wer ist das?“ Und: „Welchen Namen würden Sie sich als ‚drag-queen‘ geben? a) Madonna, b) Lady Quiche Lorraine oder c) Daphné du Roulier?“ Da fällt die Auswahl schwer, Daphné du Roulier ist doch der Knaller, aber Lady Quiche Lorraine ist auch nicht ohne.

Keine Angst, ob Sie sich für den einen oder den anderen Namen entscheiden, die höchste Punktzahl für eine Homo-Diagnose ist Ihnen bei beiden gewiss. Aber so richtig knifflig wird es bei der Frage nach dem Ereignis, das Sie in den letzten Jahren am meisten geprägt hat? „a) Der Brustkrebs von Kylie Minogue, b) Die Anschläge vom 11. September 2001, c) Das Gesetz, das den Spaniern die Homo-Ehe erlaubt oder d) Der Typ, der Sie vor einer Stunde gebumst hat – und sein enormer Schwanz?“ Tja, da qualmt der Schädel!

Er war eine weise Tunte. Quentin Crisp hätte spielend jeden Homo-Test bestanden und hätte doch keinen mitgemacht. Jede Zuschreibung engte ihn ein, die einzig gültige Lebensform für ihn war seine Lebensform. „Ein ganzes Leben lang Disco-Music hören zu müssen“, hat er einmal gesagt, „ist schon ein hoher Preis für eine sexuelle Vorliebe.“