der grenzgänger von heiligendamm : „Seelsorge ist momentan gefragt“
Pastor Jax will die Inhalte zurück auf die Tagesordnung bringen
Seine Freunde haben ihn gewarnt, seine Pastorenkollegen, sogar der Denkmalschutz. Was, Herr Pastor Jax, fragten sie ihn, wenn die Demonstranten Ihnen das Münster abfackeln, Ihre schöne Kirche, das Schmuckstück von Bad Doberan? Dichtmachen solle er doch das Gotteshaus während der G-8-Proteste und sich zurückziehen, empfahlen sie ihm.
Albrecht Jax hat sich anders entschieden. Der 38-jährige Pastor aus Bad Doberan hält seine Kirche derzeit von 8 bis 22 Uhr geöffnet – „als Rückzugsmöglichkeit und weil Seelsorge in diesen Tagen gefragt ist“. Und „die sinnlose Konfrontation, die wir heute erlebt haben, bestärkt mich darin“, sagt er am Samstag und wiederholt es tags darauf in der bis auf den letzten Platz gefüllten Kirche: „Unsere Fassungslosigkeit über diesen Ausbruch von Gewalt am Ende einer friedlichen Demonstration wird uns nicht sprachlos machen.“ Da passiert, was in einer Kirche selten passiert: Die Gemeinde applaudiert.
Albrecht Jax ist ein Mann, der sagt, was er denkt. Mit seinem Dreitagebart, der Kordjacke und zwei Ohrringen im linken Ohr erinnert der gebürtige Stralsunder eher an einen Rocker als an einen Geistlichen. Jax ist dieser Tage Grenzgänger. Als einer der wenigen darf er auch während der Gipfelproteste in den Hochsicherheitstrakt von Heiligendamm eindringen – berufsbedingt. Heiligendamm ist ein Ortsteil von Bad Doberan, 50 seiner Gemeindemitglieder leben dort. Also bringt er ihnen am Samstagabend, unmittelbar nach den Straßenschlachten in Rostock, einen Korb voller Natur- und Pflastersteine. „Steine des Anstoßes“, sagt er lächelnd.
Er wolle nicht provozieren, lasse es sich aber nicht nehmen, seine Meinung zu sagen. Auch am Mittwoch nicht. Dann lädt Jax unter dem Motto „Heiliger Damm des Gebets“ die Kanzlerin persönlich zu „acht Minuten Andacht für Gerechtigkeit“ in die Waldkapelle von Heiligendamm ein. HEIKE HAARHOFF
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