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Archiv-Artikel

der geschminkte häuptling von RALF SOTSCHECK

Er wollte für den US-amerikanischen Präsidenten George W. Bush hübsch aussehen. Der irische Premierminister Bertie Ahern hatte sich ordentlich aufgebrezelt, bevor er am vergangenen Dienstag nach Belfast fuhr, um Bush und dessen Maskottchen Tony Blair zu treffen. Die beiden hatten ihre Kriegsbemalung freilich weggelassen, denn es sollte ja um den nordirischen Friedensprozess gehen.

Umso dicker hatte Ahern das Make-up aufgetragen. Er gibt 18.000 Euro im Jahr für Kosmetika aus. Das sind täglich fast 50 Euro – „weil er es wert ist“, wie sein Sprecher in Anspielung auf die L’Oreal-Werbung sagte. Wohl eher, weil er es nötig hat. Die Oppositionsparteien monierten lauthals, dass sich der Premierminister auf Kosten des Volkes schminkt. Die irischen Grünen forderten, Ahern künftig ungeschminkt zu lassen und stattdessen einen Drogentherapieplatz einzurichten. Für den Premierminister etwa? Legt er Make-up auf, um sein vom Drogenmissbrauch gezeichnetes Gesicht zu übertünchen?

Die Kosmetikbranche rätselt jedenfalls, wofür der Taoiseach – das ist Irisch für „Häuptling“, wie der offizielle Titel des Premierministers lautet – so viel Geld ausgibt. Vanessa Harris, Chefredakteurin der Zeitschrift Tatler, mutmaßt, dass Ahern „seine Füße ständig in Gesichtspackungen“ stecke. Deirdre O’Keeffe von der Zeitschrift U meinte: „Ich würde gerne sagen, dass das Geld gut angelegt war und er großartig aussieht. Tut er aber nicht.“ Selbst wenn er das teuerste Produkt auf dem Markt nehme, Crème de la Mer, so müsste er es sich über die Cornflakes schütten, um auf diese Summe zu kommen, meint O’Keeffe.

Ahern beschäftigt gleich zwei private Kosmetikexpertinnen einer Firma mit dem passenden Namen „Video-Visage“. Eine Parlamentsangestellte war dennoch nicht beeindruckt, als sie Aherns Visage in einem Video sah: „Wenn er so mit Make-up aussieht, wage ich es nicht, mir vorzustellen, wie er ohne Make-up aussieht.“ Ein Sprecher des irischen Fernsehens sagte, dass die TV-Anstalten die Politiker vor ihren Auftritten kostenlos zurecht machen. „Nur die Superstars aus dem Showgeschäft bringen ihre eigenen Leute dafür mit“, sagte er.

Ein Superstar ist er nicht gerade, eher ein Statist, wie das Treffen mit Bush und Bushlein vorige Woche zeigte. Bei der Aufregung um Aherns Teint ging es ein wenig unter, dass er als Premierminister eines – zumindest der Verfassung nach – neutralen Landes nicht die Chefs zweier Regierungen treffen sollte, die gerade einen Angriffskrieg führen. Ahern wies auf die wichtigen US-Investitionen in Irland hin. Irgendwo muss das Geld für seine Kosmetika ja herkommen.

Noch widerlicher als Aherns Anbiederung ist die Heuchelei von Sinn Féin, dem politischen Flügel der Irisch-Republikanischen Armee (IRA). Parteipräsident Gerry Adams rief seine Mitglieder zu Massendemonstrationen gegen Bush auf, während er selbst artig dessen Hand schüttelte. Wenigstens benötigt Adams nicht viel Geld für Kosmetika. Ein Töpfchen Vaseline vielleicht, damit er leichter ins Gesäß des US-Präsidenten kriechen kann.