der geist von genf (1) : Badefreuden im Schweizer Stahlbad
Warum die deutsche Fußballnationalmannschaft in der Schweiz bestens aufgehoben ist
Bevor das Land der Ideen hyperventiliert und die Deutschen kollektiv dem Extremsport „Freundlichkeit“ frönen, hat sich die Schweiz als Hort des Fußballs etabliert. Erst atmeten die Iraner den Geist von Spiez im legendären „Belvedere“. Dann zog es den Tross des Deutschen Fußball-Bundes an den Genfer See. Seit Sonntag residiert die Auswahl von Bundestrainer Jürgen Klinsmann in schönster Lage und bukolischer Abgeschiedenheit. Bisweilen übt die Mannschaft sehr angestrengt im Stadion von Servette Genf das Fußballspiel.
Während auch die Auswahl Brasiliens in der Schweiz gereist ist, trat in Zürich Fifa-Boss Blatter mit einer frohen Botschaft vor die Mikrofone. Der Fußball-Weltverband habe sich mit den Antidopern von der Wada geeinigt, ließ er verlautbaren. Die Fifa akzeptiere die Vorgaben der Antidopingagentur, weil die Wada die Regeln der Fifa akzeptiere, so lautete der Deal. Ein Rechtsstreit vorm Sportgerichtshof Cas in Lausanne sei abgewendet. Doch wollte Blatter darüber nicht in Verzückung geraten, denn die WM in Deutschland bereitet ihm größeres Ungemach. Also sagte der weltmeisterliche Präsident: „Kein Sportereignis hat je so polarisiert. Wir sind für alles verantwortlich. Deshalb bin ich nervös.“ Blatter, heißt es aus gut unterrichteten Kreisen, könnte womöglich für die ausufernde Kommerzialisierung der Weltmeisterschaft verantwortlich sein, für den hanebüchenen Sponsorenschutz, für ein fanfeindliches Championat, für die Entfremdung eines Massenereignisses vom Eigentlichen – unter Umständen. Eine „WM für Bosse und Bonzen“ sieht die Süddeutsche Zeitung auf das Land zukommen, das Bündnis aktiver Fußball-Fans (Baff) vertreibt unter dem Motto „Die Welt zu Gast – fühl dich wie im Knast“ Anti-WM-Shirts. So weit ist es nun schon gekommen.
In Genf will man von solch schlimmen Dingen nichts hören, hier wird an der Form der Fußballer gearbeitet, und zwar „ohne Kompromisse“. Glaubt man Bundestrainer Jürgen Klinsmann, werden bald schon 23 Kicker aus dem Genfer Stahlbad steigen und vor der WM noch schnell zwei, drei Ironman-Wettkämpfe einstreuen, damit die überschüssige Energie abgebaut werden kann und es nicht etwa im Eröffnungsspiel zu 90-minütigen Tempoläufen von Torwart Lehmann in der eigenen Hälfte kommt. Ja selbst die Rekonvaleszenten fühlen sich bereits zu Großtaten berufen. „Insgesamt sind wir sehr erfreut über den Zustand unserer angeschlagenen Spieler“, sagte Assistenztrainer Löw am Montag. „Kehl ist früher eingestiegen als erwartet. Auch Metzelder macht sehr große Fortschritte.“ Und der Lahm werde auch immer schneller.
Heute stellt sich die Mannschaft übrigens einer ersten großen fußballerischen Herausforderung. Ein Testspiel gegen die A-Junioren von Servette steht an. Vorsichtshalber unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
MARKUS VÖLKER