der fischreparaturbetrieb von EUGEN EGNER :
Ich bin mit Herrn Gralch verabredet, um mir seinen Fischreparaturbetrieb anzusehen. Eine halbe Stunde warte ich bereits auf ihn, bis ich begreife, dass er längst da ist. Irrtümlich habe ich gedacht, da stünde eine Restmülltonne mit Klingelknöpfen, und habe mich schon gewundert, wieso die denn so freundlich grüßt.
Herr Gralch ist Inhaber einer mittelständischen Fischreparaturstelle ohne Kassenzulassung. Die Berufspraxis verlangt, dass er Fische und Fischartige ab vier sofort erkennt, wenn er welche sieht. Und ob sie intakt sind oder nicht. „Außerdem muss ich aufpassen, dass genug Steuer abgeführt wird“, fügt Herr Gralch hinzu. „Von uns reparierte Fische und Fischartige dürfen eine Gesamtkörperlänge von 42 Metern nicht überschreiten. Sonst reparieren wir aber alle, also sämtliche Modelle. Auch Fische mit Druckschaltern und Wasserspülung.“
Ich möchte nun zu gern wissen, was das peinlichste Erlebnis in seinem Leben war, doch er sagt nur, da müsse ich seine Frau fragen. Die sei aber gerade Fische kaputtmachen gegangen. Das ist das Stichwort für meine nächste Frage: Welche sind die häufigsten Schäden an Fischen, die ihm zur Reparatur gebracht werden? Herr Gralchs Auskunft ist eindeutig: „Die meisten sind überfischt.“
„Das ist, wenn es zu viele Fische gibt, nicht wahr?“, vermute ich laienhaft, muss mich aber von Herrn Gralch belehren lassen: „Nein, das ist so übertrieben fischartig, das Benehmen, die ganze Körperhaltung, so aufgeplustert irgendwie, geradezu größenwahnsinnig.“
Auf mein Drängen hin verrät er mir, dass das nicht gut für die Fische ist, da sie sich dann total vergessen, sich und ihre Schuldigkeit Gott und den Menschen gegenüber.
„Und zerplatzen können sie auch, wenn gerade keiner guckt“, sagt Herr Gralch sehr ernst. „Manchmal sogar, wenn’s gerade am schönsten ist.“ Wie kommt so etwas? „Das kommt von allein“, sagt Herr Gralch ganz gelassen. Als ich ihn frage, was er in solchen Fällen tue, führt er mich in die Reparaturwerkstatt, um es mir am lebenden Objekt zu demonstrieren: „Wir knallen Eckspanner und Krampen rein. Drauf rumtrampeln ist weniger gut. Da existieren ganze Studien drüber.“
Als Theoretiker interessiert mich, ob es keine Möglichkeiten zur Prävention gibt, damit diese Überfischtheits-Phänomene gar nicht erst aufkommen. „Früher ja“, antwortet Herr Gralch verbittert, „heute nicht mehr. Wurde von der Regierung abgeschafft. Und von der EU. Die in Brüssel wollen ja letztlich den Fisch als solchen abschaffen. Das wäre dann auch das Ende der Fischreparaturstellen.“
Um von diesem unerfreulichen Thema abzulenken, frage ich ihn nach seinen Hobbys. Nach Feierabend baue er einfache Dinge aus Vierkanthölzern, sagt er, manchmal gebe er sich auch mit Fischbasteleien ab. Zum Beweis zeigt er mir ein längliches Etwas mit Fischstäbchen und Klingelknöpfen. Dass er selbst auch schon einmal ein Fisch gewesen ist, in einem früheren Leben zum Beispiel, glaubt Herr Gralch aber eigentlich nicht.
Gut. Ich verabschiede mich. Heute habe ich eine Menge über Fische gelernt.