debatte : Her mit dem Ruhrstadtfernsehen!
Der WDR hat viel für die Verständigung von Rheinländern und Westfalen getan. Die Ruhrstadt aber spaltet der Sender. Zeit aufzuwachen
Die Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen gründete auf keiner Liebesheirat. Die Operation „Marriage“ hatte zahlreiche Widerstände gerade unter den Westfalen ausgelöst, über die sich die britische Militärregierung 1946 hinwegsetzte.
Dass aus der Zwangsehe, die sich mit dem Anschluss Lippes auf eine komplizierte Ménage à trois ausweitete, doch noch eine Vernunftehe und verspätete Liebesbeziehung („Wir in Nordrhein-Westfalen“) wurde, hatte mindestens zwei Gründe: Das Ruhrgebiet bildete bald eine starke Klammer zwischen Rheinland und Westfalen. Dies trug wesentlich dazu bei, dass aus dem Trennstrich im Landesnamen ein Bindestrich wurde. Und schließlich gab es den Westdeutschen Rundfunk: Der Sender machte keinen Unterschied zwischen rheinischen und westfälischen Hörern – die Masse der Rundfunkteilnehmer saß im rheinisch-westfälischen Revier, im Ruhrgebiet.
Es war der Landessender WDR, der die entscheidende Geburtshilfe für die Nordrhein-Westfalen und ein neues Landesbewusstsein nach 1946 leistete – und das schließlich auch seit 1967 mit einem eigenen dritten Fernsehprogramm.
Ende der 1970er Jahre begann die bis heute andauernde Erfolgsgeschichte der Regionalisierung. Ihre Ergebnisse sind auch in den sieben Lokalzeiten montags bis samstags zwischen 19.30 und 20.00 Uhr zu sehen. Ostwestfalen, Südwestfalen, die Düsseldorfer Rheinschiene, der Raum Köln/Bonn, das Bergische Land und die Aachener Region werden seitdem mit regionalen Nachrichten und ihren Lokalgeschichten versorgt.
Das Ruhrgebiet dagegen ist gespalten: in eine „Lokalzeit Ruhr“ aus dem Studio Essen, eine “Lokalzeit im Revier“ aus dem Studio Dortmund und eine „Lokalzeit aus Düsseldorf“ für Duisburg. Die größte Stadt Deutschlands, die „Ruhrstadt“, hat bis heute kein gemeinsames Fernsehen mit Berichten aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport. Wobei inzwischen nichts näher läge: Denn der Kommunalverband Ruhrgebiet wird nach dem Willen aller politischen Parteien in einen ungleich stärkeren Regionalverband verwandelt, die gemeinsame regionale Wirtschaftsförderung rückt näher. Die Erarbeitung eines Masterplans Ruhr soll die Region profilieren und kommunales Kirchtumsdenken in den Hintergrund drängen. Die Revierderbys bleiben gefragt, die Städte im Revier treten gemeinsam an im Wettbewerb um die Kulturhauptstadt 2010. Neben der Industrie- und Soziokultur, dem Theater- und Klavierfestival Ruhr verleiht die Triennale dem Ruhrgebiet weiteres internationales Ansehen. Aber der Bericht über eine Uraufführung im Dortmunder Konzerthaus, die von zwei Kulturwissenschaftlern von der Ruhr- Universität Bochum kommentiert wird, ist in Bochum nicht zu sehen. Wir schalten um nach nebenan: Hier sendet die Lokalzeit Essen – „Nachrichten aus dem Ruhrgebiet“.
Es ist an der Zeit, die Fernseh–Dreiteilung des Ruhrgebiets zu überwinden und einem gewachsenen Regionalbewusstsein Rechnung zu tragen. Der WDR sollte seinen Beitrag zur gleichwertigen Berichterstattung und Meinungsbildung im gesamten Ruhrgebiet leisten – mit Information, Bildung und Unterhaltung und Beiträgen zu Kunst, Kultur und Serviceangeboten. Innovative Räume brauchen kommunikative Räume. An einem Kommunikationsraum Ruhr im regionalen Fernsehprogramm des WDR fehlt es. Er wäre eine große Chance – für die Region und den WDR. Wann wird sie genutzt?
KARSTEN RUDOLPH