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Archiv-Artikel

ddr, 4. 10. 1989: noch 5 Tage bis zur Wende NVA: Alarmbereitschaft wegen der Demonstranten

Von RENI

– Rund 10.000 Menschen haben es neuerlich über den Botschaftszaun in Prag geschafft. Honecker, der Ruhe zum Republikgeburtstag haben will, entscheidet: ausreisen.

– Um des Problems der Botschaftsflüchtlinge Herr zu werden, macht die DDR ihre Grenzen dicht. Ab sofort braucht man auch für Reisen in die ČSSR ein Visum.

Zwischenfälle auf den Grenzbahnhöfen. In Bad Schandau verbarrikadieren sich 150 Menschen im Zug, fordern die Ausreise. SED-Bezirkschef Hans Modrow rapportiert Honecker: „Die Waggons wurden ausgegliedert, nach Pirna überführt und dort nach mehreren Stunden von der Volkspolizei aufgelöst.“

– Bei der Durchfahrt der Züge durch den Hauptbahnhof Dresden kommt es zu den schwersten Ausschreitungen seit 1953. 10.000 Menschen stürmen den Bahnhof, Polizei geht mit Wasserwerfern und Schlagstöcken vor. Teile der Armee werden in Alarmbereitschaft gesetzt, scharfe Munition wird ausgeteilt.

Ausschreitungen mit Verletzten und Verhaftungen auch in Freiberg, Karl-Marx-Stadt, Plauen – also entlang der Zugstrecke.

– Bereits am Vortag gab es in Dresden schwere Ausschreitungen. Aus Protest gegen die Brutalität der Sicherheitskräfte legen Menschen in Eisenach, Ruhla, Seebach die Arbeit nieder.

Potsdam: 3.000 Menschen demonstrieren für mehr Demokratie und Zulassung des Neuen Forums.

– Gethsemanekirche Berlin: BürgerrechtlerInnen beginnen Fastenaktion für mehr Demokratie.

Cottbus: Bürgerinitiative „Demokratische Einheit“ gegründet.

– Demokratie jetzt, Initiative Frieden und Menschenrechte, Neues Forum und andere Bürgerbewegung fordern in einer gemeinsamen Erklärung Wahlen unter UN-Kontrolle.

– IM „Peter Schmidt“ und IM „Rolf Meister“ schätzen das Verhalten der Führungskader der Sicherheitskräfte ein:

In der Nacht vom 4. zum 5. 10. war zu verzeichnen, daß der Chef des Stabes des MdI (Ministerium des Innern), Generaloberst Wagner, alle drei Minuten beim Chef der BDVP anrief und ihn ständig kritisierte, warum er nicht in der Lage sei, die Ordnung und Sicherheit auf dem Dresdner Hauptbahnhof wieder herzustellen. Dies führte zu gewissen Unsicherheiten. … Als der Genosse XXX von der Politabteilung hörte, daß ein Funkstreifenwagen brannte, wurde er leichenblaß und für 30 Minuten nicht mehr in der Führungsgruppe gesehen. Inoffiziell wurde herausgearbeitet, daß sich einige Offiziere in Zimmern herumdrücken, anstatt zu kämpfen. RENI