ddr, 2. 10. 1989: noch 7 Tage bis zur Wende : Erstmals Kampfgruppen gegen Demonstranten
– Das Regime versucht in Leipzig, die Friedensgebete zu stören. So genannte „gesellschaftliche Kräfte“ füllen die Kirchen – treue Parteigänger, Funktionäre und Stasi-Leute, die durch Zwischenrufe provizieren.
– Trotzdem kommt es im Anschluss zur bislang größten regimekritischen Demonstration seit dem Arbeiteraufstand 1953: Zwischen 15.000 und 20.000 Menschen nehmen teil.
– Erstmals werden gegen die Demonstranten neben Polizei- und Stasi-Kräften auch Betriebskampfgruppen eingesetzt. Diese paramilitärische Organisation bestand aus Mitarbeitern der DDR-Betriebe, die von der Volkspolizei militärisch ausgebildet wurden. Offizieller Auftrag: Kampf gegen Saboteure und andere „Feinde des Sozialismus“.
– Viele Demonstranten werden festgenommen. Es gab auf beiden Seiten Verletzte.
– In der Berliner Gethsemanekirche Berg beginnt eine von nun an ununterbroche Mahnwache für die politischen Gefangenen.
– 180 Mitglieder des Verbands Bildender Künstler fordern Reformen.
– Egon Krenz würdigt in Peking zum 40. Jahrestag der Volksrepublik den politischen Weg Chinas.
– Binnen weniger Stunden haben wieder mehrere tausend DDR-Flüchtlinge den Zaun der bundesdeutschen Botschaft in Prag überklettert.
– Probleme im Nahverkehr Leipzigs: Zu viele Fahrer sind in den Westen ausgereist. Soldaten werden eingesetzt.
– In Berlin laufen die Vorbereitung zum 40. Jahrestag der Gründung der DDR auf Hochtouren. Staatschef Erich Honecker im „Neuen Deutschland“:
Mit Genugtuung, ohne Selbstzufriedenheit und Überheblichkeit, können wir am heutigen Tage feststellen, dass es gelang, eine Gesellschaft aufzubauen, der trotz steigender Arbeitsproduktivität Massenarbeitslosigkeit fremd ist. Obwohl unser Wohnungsbauprogramm noch zu vollenden ist, gibt es bei uns keine Obdachlosen. Es gibt zum Glück keine Drogenmafia, keinen Babyhandel, wie er in der BRD Usus ist. Soziale Sicherheit und Geborgenheit gehen bei uns Hand in Hand mit der Mehrung der materiellen Werte. Gerade jetzt glaubt die BRD, die DDR aus den Angeln heben zu können. Daraus wird allerdings nichts.
Der 9. Oktober 1989:Die Wende in der DDR.15 Jahre später: das taz-Dossier