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Archiv-Artikel

das wichtigste Regisseurin mit Hang zu schwerer Kost

Wenn Jasmila Žbanić mit ihrer Crew heute nach Sarajevo zurückkehrt, wird die Stadt Kopf stehen. Tausende werden die Filmemacherin mit Jubel empfangen. Dabei ist die 1974 geborene Regisseurin immer bescheiden im Hintergrund geblieben. Es waren andere Filmer der Stadt, die sich bisher in der Gunst der Medien sonnen konnten. Jasmila Žbanić hat sich an schwer verdauliche Themen herangewagt, die nicht immer jedermanns Sache sind.

„Grbavica“, Geschichte der Verarbeitung einer Vergewaltigung, ist nur ein vorläufiger Endpunkt in einer langen Reihe von Dokumentarfilmen. Sie selbst absolvierte während des Krieges ihr Studium in der Filmakademie von Sarajevo.

„Jasmila hat das Glück, gleichzeitig sehr jung und alt zu sein“, sagt der bosnische Schriftsteller Dževad Karahasan. Alt sei sie, weil sie als Jugendliche den Krieg erlebte, über dreieinhalb Jahre täglich mit Angst und Tod konfrontiert war. Ihre Jugend aber verleihe ihr Enthusiasmus und Energie, ihre Erfahrungen gäben ihr Reife und Sicherheit in ihren Themen. Ihr gehe es um die Spuren, die der Krieg in den Seelen hinterlassen hat.

Mit Preisen überhäuft wurde sie schon für ihren Kurzfilm über die Filmerszene Sarajevos „Deblokada“. In „Biljana“ folgt sie den Spuren ihrer serbischen Nachbarin, die durch von den serbischen Belagerern abgefeuerte Granaten ihre Beine verloren hatte, nach Paris gegangen war und dort als Journalistin arbeitete. „After, After“ setzt sich mit einem traumatisierten Mädchen auseinander. Über Bosniens Grenzen hinaus bekannt wurde sie durch den Film „The Rubber Boots“, in dem eine Mutter in Massengräbern nach Hinweisen auf ihre vierjährige Tochter sucht.

Mit dem Produzenten Damir Ibrahimović verheiratet, führt sie ein relativ zurückgezogenes Leben. Sie konzentriere sich auf ihre Arbeit, sagen Freunde und Bekannte. Und: Sie habe noch viele Projekte. „Alle Filme sind politisch“, entgegnete Jasmila nach der Preisverleihung einem französischen Kritiker. Natürlich gebe es in Bosnien nicht alle technischen Möglichkeiten. Aber Stoffe, die angesichts der jüngsten Vergangenheit des Landes Tiefgang haben.

Ihren Sarajevoer Witz hat sie auch in Berlin aufblitzen lassen. Sie hoffe, ihr Bär werde von ihrem armen Land und Sarajevo nicht enttäuscht werden. Doch das ist kaum zu befürchten. Denn es gibt wohl kaum eine Stadt in Europa, in der die Kinos fast immer ausverkauft sind. Nach dem Gewinn des Oscars 2002 für den Film „No Mans Land“ von Danis Tanović ist der Goldene Bär für „Grbavica“ die bisher höchste Auszeichnung für bosnische Filmemacher. „Das wird uns alle beflügeln“, sagte Žbanić in Berlin.

ERICH RATHFELDER