das wichtigste : Brüchige Reaktorhülle
Einsturzgefahr am Unglücks-AKW von Tschernobyl. Katastrophe forderte offenbar deutlich mehr Opfer
HAMBURG epd ■ Die Schutzhülle um den vor 20 Jahren explodierten Unglücksreaktor von Tschernobyl ist vom Einsturz bedroht. Die Beton- und Stahlkonstruktion sei nach der Katastrophe vom 26. April 1986 hastig und unter schwierigsten Bedingungen errichtet worden, heißt es in der Greenpeace-Studie. Durch Löcher in der Außenwand trete radioaktiver Staub aus. Die Ausbesserung der Schäden sowie die geplante zweite Schutzhülle für den Reaktorblock 4 des stillgelegten AKW lösten das Hauptproblem nicht. So sei unklar, was mit der hochradioaktiven Masse passieren soll, zu der die Brennstäbe mit dem Reaktormaterial beim Super-GAU verschmolzen. Die neue Schutzhülle werde nur 50 bis 100 Jahre halten, befürchten die Umweltschützer und rügen: „Damit überlassen wir das Problem den nachfolgenden Generationen.“
Indes liegt die Gesamtzahl der Tschernobyl-Opfer offenbar höher als bislang von der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA angegeben. Während die Wiener UN-Behörde von rund 4.000 Todesfällen ausgehe, liege die tatsächliche Zahl bei mindestens 30.000 bis 60.000, sagte die grüne Europaabgeordnete Rebecca Harms. Zwei britische Forscher untersuchten im Auftrag der Grünen anlässlich des 20. Jahrestags der Reaktorkatastrophe ausschließlich offizielle Zahlen, betonte Harms. Die IAEA betrachte die Untersuchungen zum Reaktorunglück als abgeschlossen und wolle das Kapitel Tschernobyl schließen. „Das darf aber nicht sein. Viele Folgen sind noch gar nicht absehbar.“ Harms forderte WHO und UN auf, alle Studien zu Tschernobyl zusammenzufassen, um ein umfassendes Bild über die Folgen des Unglücks zu erhalten.