das wichtigste : Gesetz nach Mitternacht
Große Koalition lässt Anträge zu Kinderarmut und Sozialhilfe zwischen drei und vier Uhr nachts diskutieren
BERLIN taz ■ Im Bundestag werden Debatten immer häufiger für späte Nacht- und frühe Morgenstunden angesetzt. Das betrifft auch so wichtige Themen wie das Verbraucherinformationsgesetz (heute, 21.50 Uhr), die Änderung der Sozialhilfe-Regelsätze (Freitag, 3.10 Uhr) und Kinderarmut (Freitag, 3.40 Uhr). In Wirklichkeit wird zu so später Stunde jedoch keine Debatte mehr stattfinden. Punkte auf der Tagesordnung, die auf nach 21 Uhr anberaumt sind, werden in der Regel „zu Protokoll gegeben“, das heißt, dass sich die Fraktionen später schriftlich dazu äußern.
Für die Abgeordneten der Linksfraktion, Katja Kipping und Diana Golze, ist es „ein Skandal, welchen Stellenwert die große Koalition den hochbrisanten Themen Sozialhilfe und Kinderarmut beimisst“. In der SPD-Fraktion, die zusammen mit der Union die beiden Anträge auf die Tagesordnung brachte, hält man dagegen: Es handele sich meist um die erste Lesung, und die sei der formal notwendige Schritt, um ein Gesetz in den Bundestag einzubringen. Dann erst könne die Fachdebatte in den Ausschüssen beginnen. „Wir können mit der späten Uhrzeit für die Debatte über Kinderarmut gut leben“, sagte Christel Humme, familienpolitische Sprecherin der SPD, gestern der taz. „Schließlich lassen wir das Thema im Oktober sogar in einer öffentlichen Sitzung debattieren, was nicht die Regel ist. Das zeigt, dass wir Kinderpolitik wichtig nehmen.“
Laut Volker Beck, dem parlamentarischen Geschäftsführer der Grünen, ist der Sitzungsmarathon der Not geschuldet, dass der Stapel von Gesetzesanträgen wächst. Trotzdem hält Beck derart späte Stunden für „unangemessen“. KK