das wetter: Liebe geht durch die Eiterbeule
Es war nicht das erste Mal, dass Rainer ein Abszess vom Gesäß seiner Frau entfernt hat. Er war weder Arzt noch Krankenpfleger, aber, wie sagte er immer so schön: „Übung macht den Meister!“. 34 Abszesse hat er seiner Marianne schon aus dem Körper geschnitten. Nur in den seltensten Fällen traten dabei Komplikationen auf. Diesmal hat er sogar daran gedacht, das Messer noch einmal zu schärfen, bevor es angesetzt hat. Darauf war er beim letzten Mal nicht gekommen. Marianne hatte daran keine guten Erinnerungen. Zum Arzt würde sie mit ihren Eiterbeulen dennoch nie gehen. Manchmal glaubt sie, ein Lächeln zu sehen, wenn sie zu Rainer sagt, dass es wieder so weit ist. Sie glaubt, dass sie ihrem Mann mit jedem Abszess, den sie ihm anvertraut, auch einen Gefallen tut. Daran denkt sie, als Rainer diesmal das Messer ansetzt. Er hat ein Lächeln auf seinem Gesicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen