das sydney-syndrom: Alles neu bei Olympia
Oder doch nicht?
Endlich laufen die Olympischen Spiele, und Deutschland hat bereits nach zwei Tagen (in Atlanta waren es immerhin sechs) die erste Goldmedaille eingefahren (4-km-Rad-Verfolgung). Aber auch sonst fällt auf: Die TV-Übertragungen warten mit einigen Neuerungen auf. So hat der Service-Schnickschnack deutlich zugenommen. Die Schwimmbahnen werden jetzt für den Zuschauer dunkel eingefärbt. Zur besseren Orientierung versteht sich. Außerdem wird per Computer eine farbige Linie eingeblendet, die eine mögliche Bestzeit signalisiert: neue Unterwasserkameras sollen die dramatischen Aspekte unterstreichen. Schade, dass man bei den Interviews auf jegliche Innovationen verzichtet hat. Wie bisher werden schnaufende Athleten vor die Kameras gezerrt, die dann auf Fragen wie „Sind Sie enttäuscht?“ wahlweise mit „ja“, „nein“, „ein bisschen“ antworten. Die intelligenteste Auskunft gibt es dann auf die zweifellos intelligenteste Frage: „Woran lag es, dass sie so schlecht abgeschnitten haben?“ – „Keine Ahnung. Das wird die Analyse zeigen.“ So palavert es sich durch die Wettkampfarenen. Wären hier Goldmedaillen zu vergeben, Christa Haas vom ZDF wäre der Sieg schon jetzt nicht mehr zu nehmen. Total aufgedreht schart sie Schwimmer um sich und tröstet, wo und was sie nur kann („Trotzdem alles Gute“). Es sieht fast so aus, als sei ein gewisses Maß an Doping beim ZDF Grundvoraussetzung für die Berichterstattung. Aber auch sonst wird munter gekaspert. So fragt ARD-Mann Michael Antwerpes die „Duz-Maschine“ Waldemar Hartmann, ob er denn nicht traurig sei, nicht auf das Oktoberfest gehen zu können. Und Rudi Cerne und Thomas Skulski schäkern im ZDF während der Triathlon-Übertragung, wer von beiden das nächste Abendessen bezahlt. So bewahren ARD und ZDF auch im Neuen stets das Alte. Und die Geschichte geht weiter. THORSTEN PILTZ
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