das portrait: Anja Stoeck, die Kandidatin, die niemand kennt
Von ihr hängt in Hannovers Innenstadt kein einziges Plakat. Die Linke setzt im Landtagswahlkampf nicht auf Köpfe, sondern auf Inhalte. Der Nachteil: Kaum jemand hat den Namen Anja Stoeck schon einmal gehört, geschweige denn ihr Gesicht gesehen. Die 51-jährige Spitzenkandidatin will die Linke in Niedersachsen zurück in den Landtag führen. Vor viereinhalb Jahren war die Partei noch an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert – und auch jetzt könnte es eng werden.
„Ich bin aufgeregt“, sagt Stoeck, für die es das erste Landtagsmandat wäre. Ihre Partei liegt je nach Umfrage zwischen 4,5 und fünf Prozent. Trotz der schwachen Werte geistern die Linken als Schreckgespenst durch den Wahlkampf, heraufbeschworen von CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann. Der warnt vor einer rot-rot-grünen Koalition in Niedersachsen.
„Er muss seine Wähler mobilisieren“, sagt Stoeck, die seit 2015 Landesvorsitzende ist. Sie nimmt das hin, hofft vielleicht sogar, dass es ihr in die Karten spielt. Denn mit ihr wäre die Linke zu Gesprächen mit SPD und Grünen bereit. „Ich will in diesem Land etwas verändern“, sagt die Physiotherapeutin. Das gehe nur, wenn man mit anderen zusammenarbeite.
Von Polemik hält Stoeck sich fern, will sachlich argumentieren: für mehr sozialen Wohnungsbau, eine schnellere Inklusion, die Abschaffung aller Förderschulen oder die Rekommunalisierung von Krankenhäusern in der Fläche. „Mit uns kann man reden“, betont sie.
Stoeck kennt die SPD gut, zumindest von früher. Denn bis 1989 war sie selbst Sozialdemokratin. Ging dann 2005 zur WASG, die später mit der PDS zur Partei Die Linke fusionierte. Obwohl die gebürtige Hamburgerin einen realistischen Blick auf die sozialpolitischen Themen hat, ist sie beim Thema SED-Nachfolge auf Parteilinie. Die DDR wolle sie nicht als Unrechtsstaat bezeichnen, sagt sie. Auch „wenn nicht alles gut gelaufen“ sei. Überwachung und Berufsverbote habe es auch in der BRD gegeben. „Nur nicht so offensichtlich.“ Abgrenzung geht anders.
Die siebenfache Mutter aus Winsen sieht sich aber trotzdem in der realpolitischen Mitte ihres Landesverbandes. Mit einer Frau wie ihr, das ist die Botschaft, kann man regieren. Was sie nicht von sich aus anspricht, sind aber Forderungen ihrer Partei wie beispielsweise die Auflösung des Nato-Truppenübungsplatzes in Bergen. „Denn Krieg fängt hier an“, steht im Wahlprogramm. Die Schließung von Militäreinrichtungen wird mit der SPD allerdings kaum zu machen sein. Andrea Scharpen
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