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Archiv-Artikel

das hüttendorf Bett im Kornfeld

Auf der einen Seite stehen die Hochhäuser von Gropiusstadt, auf der anderen die Müllverbrennungsanlage. Dazwischen befindet sich ein großes Stück unbebautes Brachland. Es ist ein Idyll für seltene Vogelarten und Insekten, die sonst in Berlin kaum eine Überlebenschance haben. Hier zwischen Neukölln und Großziethen lebten, fast eine Woche lang, rund 20 Menschen in einem Hüttendorf. Es sind eilige, aus Holz gefertigte Hütten. Ein kleines Schild zwischen zwei Bäumen ermuntert zum Besuch: „Herzlich willkommen zum Hausbau_05“ steht darauf.

So nannte sich ein von ArchitektInnen und KünstlerInnen getragenes Projekt, das am Donnerstagabend endete. Sechs Tage lang lebten hier engagierte Menschen in den selbst gebauten Hütten im Kornfeld und debattierten mit den neugierigen BewohnerInnen der umliegenden Hochhäuser. Die meisten hatten das bunte Treiben von ihren Balkonen schon in der Aufbauphase beobachtet. Die Neugierde war daher bei den GropiusstädterInnen groß, meinte Folke Köbberling, die zu den Initiatorinnen des Projekts gehört. „Einige machten sich Sorgen um die hygienischen Verhältnisse, andere wollten mehr über unsere Motivation wissen und andere kamen nur zum Essen“, so Köbberling. Jeden Abend wurde eine warme Mahlzeit angeboten. Im Anschluss gab es Filmveranstaltungen oder Diskussionsrunden, die sich um das Thema „ Leben ohne Eigentum“ drehten. Vorbild sind die „Gecekondus“ („über Nacht gebaut“) genannten Hüttensiedlungen in der türkischen Metropole Istanbul, die von den BewohnerInnen illegal errichtet werden.

Genau wie in Istanbul sind die Materialien für den Hüttenbau in Gropiusstadt recycelt. Aufschriften wie „Odyssee 2001“ an einigen Wänden verraten, dass das Material vorher für die kürzlich zu Ende gegangene Kubrick-Ausstellung im Gropiusbau verwendet wurde. Auch das Deutsche Historische Museum hat Materialien beigesteuert. Eine Veranstaltung informierte über den Umsonstladen, wo Menschen nicht mehr gebrauchte Gebrauchsgegenstände vorbeibringen oder abholen können. Im Zeichen von Hartz IV sind solche Hinweise sicher auch vielen BewohnerInnen der Gropiusstadt nützlich. Denn in dem einstigen Vorzeigeprojekt einer sozialdemokratischen Wohnungspolitik sind die Mieten längst nicht mehr günstig, die Wohnungen längst nicht mehr in Schuss.

Gerade in der nicht mit kulturellen Einrichtungen gesegneten Gropiusstadt löst ein Projekt wie Hausbau_05 noch Fragen aus. Ob es dagegen eine schlaue Idee der KünstlerInnen sein wird, die Hütten im nächsten Jahr in Berlins Mitte zu errichten? PETER NOWAK