das ding, das kommt: Saurierbalz mit Sensenkrallen
Erst dachte er, es sei eine Rippe: dieser scharfe, spitzige Riesenknochen, den Jewgeni Alexandrowitsch Malejew 1954 da in der mongolischen Steppe fand. Aber er forschte ja in der Ur-Urzeit herum, lange vor Adam und Eva, da war das unwahrscheinlich. Dann dachte er, das Knochen-Monstrum gehöre einer Schildkröte, aber mal ehrlich: Kann die so große Rippen haben? Eben. Also blieb nur, das im Laufe der Jahre mühsam rekonstruierte Skelett den Sauriern zuzuordnen und unter dem Namem Therizinosaurus bzw. „Sensenechse“ abzuspeichern. Denn so sehen die Krallen des neun Meter hohen Ur-Viehs, dem der Mensch knapp bis zur Hüfte reicht, tatsächlich aus.
Was die Echse mit den Sensenhänden gemacht hat? Keine Ahnung. Vielleicht hat sie Blätter abgeschnitten, um sie sich ins Maul zu schieben. Vielleicht hat sie verfeindeten Sauriern – etwa dem ewig hungrigen, durchaus fleischfressenden Tyrannosaurus Rex – damit die Ohren geschoren oder die Augen ausgekratzt, wenn er zu nahe kam. Oder hat unser Therizinosaurus gar – verkannter Kavalier – in der Balz das Sensenechsen-Weibchen mit einer schnellen, schnittigen Unterholz-Rodung beeindruckt?
Vielleicht werden uns entsprechende Erkenntnisse intuitiv zuteil, wenn wir uns ab Montag in den Dinopark Münchehagen bei Rehberg-Loccum begeben, wo alsdann eine lebensgroße Sensenechsen-Attrapppe aufgestellt wird. Die wird uns dann ähnlich scheinheilig angrinsen wie all die anderen Saurier-Imitate, die mit gebleckten Zähnen nach uns schnappen. Andere werden als zarte Flugsaurier oder Fischsaurier herumfliegen und -schwimmen, um zu demonstrieren, was Reptilien-Evolution so alles kann.
Der Ort für die Schau ist gut gewählt: Münchehagen, Forschungs- und Kompetenzzentrum samt Erlebnispark, beherbergt auch 300 versteinerte Dinosaurierspuren, die 1980 gefunden und 2006 zum „Nationalen Geotop“ gekürt wurden. Und man findet immer noch mehr: scheint ein beliebter Sauriertreff gewesen zu sein. Das spürt man bis heute. Wenn man da entlang stapft, schaudert man ein bisschen und fängt an zu glauben, das alles sei erst gestern gewesen.
Dabei starb der letzte Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren, und die Forscher wissen immer noch nicht warum. War es ein Klimasprung? Egal – die Säugetiere, zu Saurierzeiten eher unterdrückte Minderheit, warteten da schon im Gebüsch. Damit man ihrer nicht vergisst – immerhin unsere Vorfahren – stehen in Münchehagen auch ein paar zünftige Mammut-Attrappen zwischen den Bäumen. Und wenn man sieht, was für ein wollig-dickes Fell die hatten, und darüber nachdenkt, warum sie es brauchten – weil es winters knackig kalt war und Grönlandgletscher und Permaboden noch intakt waren – dann könnte man glatt sentimental werden... Petra Schellen
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