das ding, das kommt: 300 Jahre Phallokratie
Es erinnert an den Turmbau zu Babel. An den schon damals gescheiterten Versuch, dem Himmel entgegenzustürmen, gottgleich zu werden und mehr zu sein als nur ein König. Da aber der antike Turmbau auf den Hund gekommen und der moderne Hochhausbau noch nicht erfunden war, blieb König Georg I. – hannoverscher Kurfürst und englischer König – 1720 nichts anderes übrig, als seine Macht durch eine hohe Fontäne in den Herrenhäuser Gärten zu zeigen.
Denn Versailles, ewiger Prunk-Konkurrent, war ihm auf den Fersen, hatte den größeren Park. Und wenn man nicht mit Fläche punkten kann, dann halt mit Höhe: Georg wollte also die Versailler 27-Meter-Fontäne überbieten und die höchste Europas haben. Da konnte er sich natürlich nicht mit kleinlichen Ingenieuren abgeben, die behaupteten, die wasserbetriebene Pumpenanlage sei nicht stark genug für den gewünschten, heute 70 Meter hohen Strahl.
In der Tat schaffte die Fontäne beim Probelauf nur fünf Meter: Jede Antilope springt höher! Da biss sich Georg regelrecht fest und investierte 220.000 Reichstaler – fast so viel, wie Dresdens Frauenkirche kostete – in dampfbetriebene Pumpen. Danach errang der Strahl 35 Meter – neun mehr als Versailles!
300 Jahre ist das her, der Strahl ist all die Jahre gelaufen, der Bau zum Industriedenkmal geworden. Pläne, Berechnungen, und Modelle präsentiert von diesem Wochenende an die Ausstellung „... recht was Königliches! – 300 Jahre Große Fontäne“.
Nett gemeint. Trotzdem wäre zu fragen, ob man das Statussymbol dieses Phallokraten feiern sollte. Oder ob man nicht lieber die politische Botschaft des Barockgartens, der Natur stutzt und Bäume wie Soldaten aufreiht, in den Blick nähme. Um sich dann zu freuen, dass der Absolutismus, für den er steht, passé ist. Petra Schellen
„... recht was Königliches! – 300 Jahre Große Fontäne“: bis 31. 10., Museum Schloss Herrenhausen, Hannover
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