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Archiv-Artikel

crime scene Dieser Anwalt steht seinen Mann

Gianrico Carofiglio schreibt genau genommen gar keine Krimis, sondern Gerichtsromane. Das liegt nicht nur daran, dass sein Held Guido Guerrieri, der im „Gesetz der Ehre“ bereits seinen dritten Romanfall bearbeitet, Anwalt ist. Rechtsanwalt gilt als ein weithin akzeptierter, geläufiger Beruf für einen Krimi-Ermittler. Guerrieri aber ermittelt nicht, er ist, was er ist: ein Anwalt, der einen Mandanten vor Gericht aus einer brenzligen Sache herausholen soll. Die Spannung, die aufgebaut wird und die unter anderem dazu beiträgt, dass man diesen Roman gern zu Ende liest, beruht vor allem auf der Frage, ob er das schafft oder nicht. Die Verbrechensaufklärung ist dabei recht nebensächlich.

Bei dem Verbrechen, das hier als Handlungsanlass dient, handelt es sich um Drogenschmuggel in größerem Stil. Guerrieris Mandant ist mit massenweise Kokain im Unterboden seines Wagens auf der Ferienrückreise von Montenegro erwischt worden, hat zunächst auch gestanden, um, wie er nun sagt, wenigstens seiner Frau die Anklage zu ersparen, beteuert im Nachhinein jedoch hartnäckig seine Unschuld. Guerrieri hat da seine Zweifel, so wie alle anderen auch, einschließlich der umwerfend attraktiven Gattin des Mandanten, die eine hervorragende Köchin ist und auch sonst nichts anbrennen lassen würde – oder zumindest einen sooo attraktiven Anwalt wie Guido Guerrieri nicht, der allerdings ohnehin schon in Flammen steht. Eine kleine, verbotene Affäre nimmt ihren Lauf. Wer an dieser Stelle jedoch größere Krisen oder Intrigen nahen fühlt, wird enttäuscht. Denn so wie dieser Roman kein Krimi ist, so fehlt ihm auch jegliche Anlage zum Melodram. Sein eigentliches Thema lautet: Guido Guerrieri ist ein toller Kerl. Der alles daransetzt, auch einen Mandanten angemessen zu verteidigen, den er eigentlich hassen müsste, weil er ihm in seiner Jugend einmal übel mitgespielt hat. Der eigentlich gern Papa geworden wäre und immer noch still darunter leidet, dass seine Freundin ihn der Karriere wegen verlassen hat. Der abends zu Hause sitzt, gute Bücher liest und Jazz hört, aber auch mal mit dem einfachen Volk ordentlich einen wegpicheln kann, oder der, wenn die Einsamkeit überhandnimmt, allein ins Programmkino geht. Keine Frage, dass Guido, als sich andeutet, dass die Mafia hinter dem Rauschgiftschmuggel steckt, nicht klein beigibt und auch vor Gericht seinen Mann steht.

Hier allerdings berührt der Roman durchaus den Ernst des Lebens. Gianrico Carofiglio hat selbst als Anti-Mafia-Staatsanwalt gearbeitet. Er kennt die Szene und ist sicherlich auch von einem gut Teil Sendungsbewusstsein getragen, wenn er mit Guido einen doch etwas überzogen positiven Helden entwirft. Jurist ist in Italien nicht direkt ein Traumberuf, da mag etwas literarische PR durchaus angebracht sein. Dass Guido, so toll er sein mag, einem gar nicht auf die Nerven geht, liegt unter anderem daran, dass er sich als Ich-Erzähler auch noch so wahnsinnig bescheiden gibt. Seine Selbstzweifel sind für den Staranwalt ein großes Thema, und der Sarkasmus, mit dem er sie permanent ins Gespräch bringt, ist stilistisch sicher in Szene gesetzt. Carofiglio ist ein begnadeter, witziger Erzähler – und dieser Roman ein Paradebeispiel dafür, dass es gar nicht so sehr darauf ankommt, was erzählt wird, sondern vor allem darauf, wie. Selbst ein Haufen handelsüblicher kleiner Männerfantasien wird so zu einem (ent)spannenden Lesegenuss, der auch für Frauen nicht zu blöd ist. Das kann nicht jeder. Aber, na ja, ein Krimi ist eben noch was anderes.

KATHARINA GRANZIN

Gianrico Carofiglio: „Das Gesetz der Ehre“. Aus dem Italienischen von Claudia Schmitt. Goldmann Verlag, München 2007, 272 Seiten, 19,95 Euro