crime scene : Was Männer- von Frauenkrimis unterscheidet: Janet Evanovichs „Tiefer gelegt“ und Carl Hiaasens „Der Reinfall“
Manche Leute behaupten ja, es gebe weder Männer- noch Frauenkrimis, sondern einfach nur Krimis. Natürlich ist das eine rein auf Weltanschauung basierende Aussage. Ebenso könnte gelten, dass es weder Frauen noch Männer gibt, sondern nur Menschen. Nun will es aber der Zufall, dass so manche einschlägige Verschiedenheit an zwei aktuellen Romanen schön zum Vorschein kommt, die oberflächlich viel gemeinsam haben. Beide gehören zum humoristischen Subgenre des Krimis, beide spielen in Florida, beide Male ist die Heldin eine sexy langbeinige Blondine. Doch wie mit diesen Zutaten umgegangen wird, ist auf eine Art unterschiedlich, die viel mit genderspezifischer Zielgruppenansprache zu tun haben muss. Übrigens spielt in beiden Romanen die Verhandlung von Geschlechterrollen eine größere Rolle als die Entwicklung der nicht wirklich komplexen Krimihandlung.
„Tiefer gelegt“ von Janet Evanovich ist unter den Frauenkrimis das, was die langbeinige Blondine unter den Frauen darstellt, nämlich das übersteigerte Prinzip Weiblichkeit. Die Heldin, Alex Barnaby, wird Barney genannt, phonetisch genau zwischen Barbie und Bunny, und läuft in einem rosa Miniröckchen umher, ergänzt von einer rosa Basecap, auf der in Glitterbuchstaben „Love“ steht. Natürlich würde keine von Evanovichs Leserinnen so etwas anziehen. Doch Barney darf ihre langbeinige Weiblichkeit auf so ironisch übertriebene Art ausstellen, eben weil sie weder Barbie noch Häschen ist.
Im Original heißt der Roman „Metro Girl“, was auf das Nebeneinander von sehr weibchenhaftem Sexappeal und der eher männchenhaften Fähigkeit, kaputte Motoren zu reparieren, verweist. In einer Autowerkstatt aufgewachsen, hat Barney nämlich ein Wunderhändchen für Motoren, während ihre kurze Karriere als Rennfahrerin daran scheitern musste, dass die Autos stets in Flammen aufgingen. Sie fliegt nach Florida, um ihrem Bruder zu helfen, der in Schwierigkeiten steckt. Um diese zu beheben, hat er ein Boot geklaut, das dem berühmten Rennfahrer Hunter gehört. Es ist nicht schwer zu erraten, wer Hunters Motoren am Ende des Romans auf Touren bringen wird; doch bis dahin müssen die Liebenden in spe erst ein temporeiches Abenteuer bestehen, das mit Schiffen, Kuba, Gold und einer radioaktiven Bombe zu tun hat.
Nicht so wichtig, auf jeden Fall gibt es mit schießenden Omas, missglückten Sexszenen, unfähigen FBI-Agenten etc. viel burleske Komik – und ein Happyend, das zeigt, was ein Frauenkrimi in seinem Innersten wirklich ist: ein Märchen für erwachsene Mädchen. Aschenbrödel darf Metrogirl sein und der Prinz tauscht das Schimmelchen gegen den Ferrari.
Nicht ganz so viel zu lachen gibt’s bei Carl Hiaasen. Da wird die Blondine vom fiesen Ehemann über Bord eines Kreuzfahrtschiffs geworfen. Da sie gut schwimmen kann, überlebt sie den Anschlag, um danach mit dem sehr männlichen Helden, der sie aus dem Wasser fischt, Rache am Gatten zu nehmen. Der bringt sich derweil munter selbst ins Verderben, wozu sein übersteigerter Geschlechtstrieb wesentlich beiträgt. Auch bei Hiaasen gibt es jede Menge missglückter Sexszenen – doch beziehen sie ihre Komik aus Viagra-generierten Peinlichkeiten: Männerwitze. Kann Mann darüber wirklich lachen? Aber es ist eh so eine Sache mit dem Humor: Je trockener er ist, desto eher können viele Worte ihn verderben.
Viele Szenen wären sicher komisch, wären sie gefilmt statt geschrieben worden. Vielleicht bewegt Hiaasen sich schlicht im falschen Medium. Der Lieblingsfilm seines polizeilichen Helden ist „Fargo“. Aber will man Fargo als Roman lesen? KATHARINA GRANZIN
Janet Evanovich: „Tiefer gelegt“. Aus dem Englischen von Christoph Göhler. Blanvalet, München 2006, 318 Seiten, 10 Euro Carl Hiaasen: „Der Reinfall“. Aus dem Englischen von Marie-Luise Bezzenberger. Manhattan, München 2006, 475 Seiten, 14,95 Euro