confettiparade : Flitzen für die Sicherheit
Das unbefugte Betreten von deutschem Hochsicherheitsrasen bei der Mini-WM macht Ottound Franz Sorgen
So ein Flitzer macht seinem Namen alle Ehre: Schneller, als man kucken kann, flitzert er über den Rasen. Am vergangenen Wochenende waren es gleich zwei, die durch deutsche Stadien sausten – und die Sprintfähigkeit einer Schar Ordnungskräfte auf die Probe stellten. Der eine, Sportstudent aus Köln, fiel Jens Lehmann um den Hals, sagte angeblich „Ich liebe dich“ und gewann damit eine Wette um 500 Euro. Der andere, ein oberkörperfreier Speckbauch, hatte beim Spiel zwischen Mexiko und Brasilien offenbar keine Liebesbotschaft, sondern grinste nur dümmlich, als ihn die Sicherheitsmänner in die Arme schlossen.
Apropos Sicherheit: Das werde der Fifa gar nicht gefallen, orakelte Steffen Simon, der TV-Kommentator des Spiels. Im Hinblick auf die WM natürlich, wo doch alles bumsbeschützt und bombensicher sein soll. Wo man wahrscheinlich froh sein kann, wenn man selbst mit einer Eintrittskarte überhaupt die strengen Stadien-Kontrollen passieren darf. Und dann so etwas: zwei Unbefugte auf deutschem Hochsicherheits-Rasen! Bei der WM-Generalprobe!
Otto Schily wird schlaflose Nächte verbringen. Und die mangelnde Sekurität deutscher Fußballstadien wird natürlich das Image der Ausrichter samt WM-OK-Chef Franz Beckenbauer besudeln. Prompt kündigte man „rigide Maßnahmen“ an. Kann sich ja nun jeder denken, was weiter passiert: noch mehr Kontrolle, noch mehr Helikopter und Awacs-Aufklärungsflugzeuge, noch mehr persönliche oder gar biometrische Daten auf den Tickets. Das haben uns die beiden Flitzer eingebrockt: Fußballstadien zu Festungen, jetzt erst recht. Den Rasen-Rasern macht das nichts aus, denn so schnell werden sie kein Stadion mehr von innen sehen.
Aber vielleicht haben die beiden ja einen neuen Trend begründet? Schließlich weiß jeder: Je drastischer das Verbot, desto größer der Reiz, es zu brechen. Also werden sich bis zur Weltmeisterschaft geheime Flitzer-Bünde gründen, die sich zum Ziel setzen, den Wettbewerb zu sabotieren und gleichzeitig auf Missstände aufmerksam zu machen. Botschaften, ähnlich denen vom Wochenende („Lehmann – my number one!“ oder „Männer, wehrt euch gegen den Waschbrettbauchzwang!“), können zum Teil der Performance gehören. Die Flitzer werden mit Transparenten über den Rasen hoppeln und das organisatorische Elend aufzeigen („Ich habe keine Karte bekommen.“ oder „Ätsch, ich bin drin!“). Oder das Stadion als Forum für politische und sportliche Statements nutzen („Angie raus!“ oder „Tina Theune-Meyer, komm zurück!“).
Auszuschließen ist mittlerweile gar nichts mehr. Schließlich gibt es ja auch so lustige Sachen wie Tipp-Kick-Meisterschaften und Nordic Walking, warum also nicht auch die organisierte Flitzerei? Otto und Franz sollten die Augen offen halten, einen schönen Namen hat die konspirative Gemeinschaft sicher schon: „Flitzer in Fußball-Arenen“, abgekürzt Fifa. Vielleicht 2006 auch mal nackt. JUTTA HEESS