christoph schultheis : Qual der Programmwahl
Wozu braucht man Fernsehmagazine, wo doch eh immer das Gleiche läuft? Außerdem gibt’s ja zum Glück das Programm in den Tageszeitungen …
Fernsehen ist ganz einfach: Man muss bloß den Apparat einschalten. Darüber hinaus erleichtert eine Fernbedienung das Fernsehen ungemein, besonders dann, wenn die Fernbedienung diese kleinen Plus- und Minus-Tasten hat, mit denen man sich recht komfortabel durch die Vielzahl empfangbarer Programm zappt. In kürzester Zeit kann man sich so einen Überblick verschaffen: darüber, was gerade läuft, und darüber, was einen gerade interessieren könnte. Und wenn, was selten geschieht, tatsächlich nichts läuft, was einen interessieren könnte, kann man den Fernseher wieder ausschalten. Oder man schaut eben irgendetwas.
Irgendwas läuft schließlich immer. Fernsehanfänger dürften ganz begeistert sein von der Vielzahl der Sender und der Vielfältigkeit der Programme, Fernsehfortgeschrittene hingegen werden mit der Zeit gewisse Regelmäßigkeiten im Programmablauf festgestellt haben. Den „Comedy-Freitag“ auf Sat.1 zum Beispiel oder dass die ARD jeden Tag um 20 Uhr eine Nachrichtensendung namens „Tagesschau“ ausstrahlt. Ja, eigentlich haben die meisten Sendungen ohnehin einen festen Sendeplatz, nicht wahr? Morgens gibt’s Morgenmagazine, mittags Mittagsmagazine, nachmittags Talk- und Gerichtsshows, am Vorabend Boulevardmagazine, Seifenopern, Sitcoms, abends die bereits erwähnte „Tagessschau“ und anschließend TV-Movies, Krimi- und Comedyserien manchmal auch Politmagazine oder Fußball sowie „Beckmann“, „Maischberger“, „Johannes B. Kerner“, „Harald Schmidt Show“ usw. usf.
Überraschungen im Fernsehprogramm sind äußerst selten. Das ist so. Und wenn mal wieder „Wetten, dass …?“ kommt oder ein „Wunder von Lengede“, befragen Sie einfach Ihren Freundes- und Kollegenkreis oder Ihre Tageszeitung – dort weiß man, wann und wo. Garantiert.
Umso erstaunlicher ist es da, dass es in Deutschland weit über 20 verschiedene Fernsehzeitschriften gibt, von denen jede Woche rund zehn Millionen und alle vierzehn Tage nochmals weit über acht Millionen Exemplare verkauft werden (die knapp 12 Millionen kostenlosen prisma- und rtv-Beilagen gar nicht mitgerechnet). Deutschlands billigste Fernsehzeitschrift heißt TV Pur, hält vier Wochen und kostet umgerechnet 5 Eurocent pro Tag. Wer nochmals 5 Eurocent drauflegt, bekommt dafür bei nurTV sogar eine „familienfreundliche Gestaltung der Titel (…) ohne ‚nackte Tatsachen‘ “.
Doch wozu? Bestimmt nicht für die Sachen, die man eh schaut (oder nie) oder wegen irgendeiner Pavian-Doku im NDR. Und dieses kleine Norah-Jones-Konzert etwa, Samstagnacht bis kurz nach halb drei auf Sat.1, hätten Sie, wenn Sie ehrlich sind, doch auch in der Programmübersicht übersehen!