bvg-zerschlagung : Eine Frage der Daseinsvorsorge
Fußball gucken kann erhellend sein. Wer am Mittwochabend die müden Brasilianer im Olympiastadion kicken sah und anschließend mit der Bahn nach Hause wollte, konnte wieder einmal sehen, dass im Nahverkehr nicht alles rund läuft: Obwohl seit Monaten bekannt sein musste, dass zehntausende gegen 23 Uhr heimwollen, bewegte sich bei der S-Bahn minutenlang gar nichts – kein Sonderzug fuhr ab, auch kein regulärer Zug. Glücklicherweise blieben die wartenden Massen geduldig.
KOMMENTAR VON RICHARD ROTHER
Gestern nun diskutierte das Abgeordnetenhaus die Zukunft der BVG. Der Zeitpunkt war gut gewählt, denn 75 Jahre nach der Gründung des größten Verkehrsunternehmens in Deutschland ist klar, dass vieles nicht so weitergehen kann wie bisher. Dafür sorgt schon die Europäische Union, die den Nahverkehrsmarkt ab 2008 öffnen will.
Für Landespolitiker unbefriedigend ist zudem: Jährlich erhält das Unternehmen Millionensubventionen, sperrt sich zum Beispiel aber dagegen, ein Sozialticket einzuführen. In der Folge wird der Ruf nach Effizienzsteigerung laut, auch die Zerschlagung des landeseigenen Unternehmens ist in der Diskussion. Effizienzsteigerungen bedeuten aber nicht nur bessere Ampelschaltungen für Busse, sondern knallharte Betriebswirtschaft: weniger Personal, weniger Lohn.
Ob sich damit die Probleme der BVG lösen lassen, bleibt zweifelhaft. Auch die Aufspaltung der BVG stimmt skeptisch: Bei der Deutschen Bahn AG jedenfalls hat dies nicht zu einem besseren Service und günstigeren Preisen geführt. Letztlich geht es beim öffentlichen Nahverkehr auch um die Frage der Daseinsvorsorge. Wie viel Angebot an Mobilität will die Gesellschaft haben – und bezahlen? Der Markt kann diese Frage nicht beantworten.
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