bücher für randgruppen : Kunst kann ja auch so öde sein
Kunstmessen sind eigentlich eine ziemlich verschnarchte Angelegenheit. Die Galeristen müssen fortwährend im Neonlicht lächeln oder beschäftigt tun. Rekorderlöse werden publiziert, entstanden oft in Absprache zwischen den veranstaltenden Galerien, um so Medien und potentiellen Kunden den Anschein eines großen Erfolgs zu geben. Wer blufft am besten? Kunstmessen scheinen „zurzeit wie Pilze aus dem Boden zu sprießen“.
Statt einem nützlichen Pilzbestimmungsbuch gibt es nun „Art Affairs“. Autor Marc Spiegler behauptet dort, eine abnehmende Ideologisierung habe diese Messen von „kommerziellen Veranstaltungen“ zu „vielgestaltigen kulturellen Plattformen“ werden lassen. Die Mär vom Ende der Ideologien geistert eben auch in der Kunst herum – zumindest bis zur Bankenpleite. Im „Krieg zwischen Kunst und Kommerz“ sucht Gabriele Heidecker nun einen Zauber, der angesichts der artigen Kunsthändler und gebügelter Gesichter schwer zu finden ist. Selbst Unschärfen und schräge Perspektiven machen diese Welt nicht auratischer, sondern eher noch ein bisschen langweiliger. Das ist aber keinesfalls die Absicht der Fotografin, die nicht einmal die Langeweile dieses Kosmos zu spüren scheint.
Ekstatisch schwärmt Autorin Ulrike Münter stattdessen von der „Grenzüberschreitung“, die sie in Hirsts „teuerstem Kunstwerk der Welt“ entdeckt zu haben glaubt. Zutiefst beeindruckt von den Millionen Pfund, vergisst sie zu erwähnen, dass der Künstler den Flop vertuschte, indem er seine „Grenzüberschreitung“ selbst kaufte. Das passt gut in dieses Bilderbuch. Denn die stolze Erwähnung eines Phantompreises korrespondiert harmonisch mit den ästhetisierenden Unschärfen sich unbeobachtet wähnender Galeristen. Hier wird der Kunsthändler mystifiziert, indem er als „unbeobachtetes“ und „unscharfes“ Opfer gebauchpinselt wird. Weiter taucht jedoch nichts auf, was bislang noch unsichtbar gewesen wäre.
Schauspieler Manfred Krug hat mit der Telekom-Aktie bereits hinlänglich bewiesen, wie eine „garantiert wertsteigende Aktie“ als solche glaubwürdig verkauft wird. So werden vermutlich hier in der Folge lediglich einige Galeristen auf ihre gedruckten Schnappschüsse zeigen und glauben, dass sie irgendwie besonders authentisch getroffen sind. Nur ein einziges Foto des unergiebigen Buches – nämlich das Cover – fällt aus dem Rahmen. Es zeigt eine elegante Dame mit Mantel und Fellkragen, deren Handtascheninhalt sich auf dem grauen Messeteppich entleert hat. Eine Katastrophe: Am Boden hockend, ihr Gesicht durch die Haare verborgen, klaubt sie, umgeben von den Beinen der Besucher, ihre Utensilien zusammen. Eine Vorahnung auf die kommende Entleerung der Kunstblase?
Um wieder einigermaßen gut drauf zu kommen, empfiehlt sich zum Ausgleich Robert Flecks „Rainer Roth Hier Distans“. Es thematisiert die fruchtbare Kooperation zwischen Dieter Roth und Arnulf Rainer in den frühen 70ern und zeigt die Umstände, in denen ihre schönen Gemeinschaftsarbeiten entstanden. Ähnlich dem „Anti-Ödipus“ des Autorenpaars Deleuze/Guattari lösen sich hier Identitäten auf. Es entwickelt sich eine neue, einzigartige Künstlerpersönlichkeit von hoher Qualität, die dem Kunstmarkt und er ebenfalls ihr sozusagen am Arsch vorbeigeht, wie es Roth vielleicht formuliert hätte. WOLFGANG MÜLLER
Gabriele Heidecker: „Art Affairs“. Hatje Cantz, 2007, 160 Seiten, 24,80 Euro; Robert Fleck: „Rainer Roth Hier Distans, Arnulf Rainer und Dieter Roth“. Philo Fine Arts, 2008, 250 Seiten, 28 Euro