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brief des tages

Kolonialismus

„Der große Bruder holt den kleinen ­gewaltsam zurück“,

wochentaz vom 31. 12. 22–6. 1. 23

Der Historiker Kappeler hat das Wesen des Kolonialismus nicht verstanden, wenn er in Bezug auf Russland nicht von einer Kolo­nial­macht sprechen mag, sondern es lieber „Imperium“ nennen möchte. Nur weil kein weiter Ozean dazwischen liegt, ist es doch immer noch ein kolonialer Übergriff, wenn ich mir etwa von Moskau aus die Kornkammer „Ukraine“ aneigne, um sie auszubeuten, oder wenn ich stolz auf die Moskauer Sommerresidenz „Krim“ bin (die einmal den Krim-Tartaren „gehört“ hatte): Auch das sind Vereinnahmungen ursprünglich von anderen Volksgruppen beanspruchter Landstriche, die man nach der Eroberung oberirdisch oder auch unterirdisch (Öl und Gas in Sibirien etwa) ausbeutet. Man darf den Begriff des Kolonialismus nicht meiden, sondern muss die Dinge beim Namen nennen, statt beschönigend von „Imperium“ zu sprechen. Richtig daran ist allein, dass der Zweck des Sowjetkommunismus war, ein von Moskau aus gesteuertes postzaristisches Imperium zu installieren und mit großer Macht weiter auszudehnen.

Gerhard Ochsenfeld, Velbert-Langenberg

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