brd/israel/usa : Goldkörner im Kuhfladen
Man kann es mit der Diplomatie auch zu weit treiben. Das zeigt Außenminister Fischers Reaktion auf die Kehrtwende der USA im israelisch-palästinensischen Konflikt. Der US-Präsident hat sich in nie gekannter Einseitigkeit auf die Seite des israelischen Ministerpräsidenten Scharon geschlagen – und die Bundesregierung spricht vor allem von einer Chance für den Nahost-Friedensprozess. Selbst Kofi Annan, nicht bekannt als Krawallbruder, sieht die Belange der Palästinenser ignoriert, doch Joschka Fischer und sein Ministerium loben, es sei endlich „wieder Bewegung“ in die Region gekommen.
KOMMENTAR VON PATRIK SCHWARZ
Das Motiv ist klar, das Muster so vertraut, dass man von einer Fischer-Maxime sprechen kann: Als Land von begrenztem Einfluss kann die Bundesrepublik nur mitreden, so predigt es der grüne Minister seit Beginn seiner Amtszeit, wenn sie sich nicht zu weit vom Mainstream der internationalen Politik entfernt. Und Fischer lässt keinen Zweifel daran, wer für ihn den Mainstream bestimmt: die USA. Deshalb zog er 1998 seinen ehrenwerten Vorstoß wieder zurück, die USA sollten auf ihr selbst erklärtes Erstschlagsrecht mit Atomwaffen verzichten. Deshalb brauchte der geschmeidige Fischer im Jahr 2003 länger als der Bollerkopf Gerhard Schröder, klar Stellung gegen Bushs Kriegspläne im Irak zu beziehen.
Tatsächlich reicht allein Idealismus nicht aus, um im Gerangel der Global Player den deutschen Positionen Geltung zu verschaffen. Insofern ist die Fischer-Maxime manchmal verständlich, aber immer gefährlich. Wenn nur das Machbare als richtig gilt, droht der deutschen Außenpolitik die Haltung abhanden zu kommen. Wer sich zu oft aus taktischen Gründen verbiegt, dem fehlt irgendwann das Rückgrat.
Bei der Friedenssuche im Nahen Osten konnte Fischer sich lange Zeit zugute halten, ausgleichend zwischen Israelis und Palästinensern gewirkt zu haben. Deshalb schadet es seiner Glaubwürdigkeit besonders, dass er nun aus des US-Präsidenten falscher Entscheidung richtige Ansätze herausliest. Drastisch ausgedrückt: Wer im Kuhfladen noch nach Goldkörnern sucht, macht sich die Hände schmutzig.
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