big brother is mobbing you von RALF SOTSCHECK :
Jeder Fernsehproduzent träumt davon, mit einer Serie einen kleinen Skandal heraufzubeschwören, damit das Zuschauerinteresse steigt. Den Produzenten von „Big Brother“ ist das gelungen. Anfangs wurden bei der sterbenslangweiligen Sendung wildfremde Menschen wochenlang in einen Container gesperrt. Fernsehzuschauer, denen offenbar sämtliche sozialen Kontakte abhanden gekommen waren, durften jede Woche einen Containerbewohner hinauswählen.
Doch bald wurde das selbst den hartgesottensten Trivialfans zu öde. So ersann man „Celebrity Big Brother“, bei dem Möchtegerne und Vergessene auf einen Karriereschub hoffen. In Großbritannien wird der Unfug vom einst ernstzunehmenden Sender Channel 4 ausgestrahlt. Schon bald berichteten aber nur noch Boulevardzeitungen über das dümmliche Spektakel. Wer die kleinformatigen Schmutzkübel liest, kann wohl auch dem flachsinnigen Treiben im Big-Brother-Haus noch einen Unterhaltungswert abgewinnen. Diesmal hat die Produktionsfirma die 25-jährige Jade Goody ins Rennen geschickt. Deren Ruhm begründet sich darauf, dass sie in einer der ersten Big-Brother-Staffeln auf dem vierten Platz landete. Damit sie sich nicht so allein fühlt, zogen auch ihr Freund und ihre Mutter ein. Zu der hat sie ein besonderes Verhältnis: „Ich behandle meine Mutter wie eine Mutter, und sie behandelt mich wie eine Tochter“, enthüllte sie.
Goody ist ein typisches Produkt des englischen Bildungssystems. Sie glaubt, Pfauen haben ihre Augen in den Federn, Croquet werde auf Pferden gespielt und Rio de Janeiro sei ein Fußballer. Außerdem nahm sie an, Cambridge liege in London. Als ihr jemand erklärte, es befinde sich in der Grafschaft East Anglia, antwortete sie überrascht: „Ach, es liegt im Ausland?“ Dann verkündete sie, es sei ihre Ambition, einmal Premierministerin zu werden. Warum eigentlich nicht? Bei solch trüben geografischen Kenntnissen bestünde zumindest keine Gefahr, dass sie gegen fremde Länder Krieg führt. Lediglich East Anglia müsste sich in Acht nehmen.
Das alles wäre wenig bemerkenswert, wenn sich nicht Goody mit zwei genauso schlichten Mitbewohnerinnen – eine hält Winston Churchill für den ersten schwarzen US-Präsidenten – zusammengetan hätte, um die Bollywoodschauspielerin Shilpa Shetty zu mobben. Sie äffen ihren indischen Akzent nach, wünschen sie „zurück in ihren Slum“ und beleidigen sie ständig, so dass Channel 4 alle Nase lang mit einem Piepston zensieren muss. Die Spekulation, Goody habe Shetty als „verdammten Paki“ beschimpft, wies der Sender empört zurück: Sie habe sie lediglich als „blöde Fotze“ bezeichnet. Bei der Medienaufsichtsbehörde gingen 36.000 Beschwerdeanrufe ein. Das ist Rekord. Die meisten schämten sich dafür, vor der Weltöffentlichkeit mit der dummen Nuss in denselben englischen Topf geworfen zu werden. Ausgerechnet das ebenso dumme Boulevardblatt Sun wollte die Ehre der Nation retten und bettelte die Leser an, Goody am Freitagabend aus der Serie hinauszuwählen.
Das taten die denn auch. Schade. Wenn sich niemand an der albernen Wahl beteiligt hätte, müssten die Teilnehmer bis zum Sanktnimmerleinstag im Big-Brother-Käfig schmoren.