berliner szenen: Die Postleitzahl auf Russisch
Weil ich ein Päckchen zu verschicken habe, muss ich zur Post. Leer ist es dort heute. Nur an einem Schalter stehen zwei aufgeregte alte Damen. Beim Näherkommen höre ich, dass sie miteinander Russisch sprechen. Die Postangestellte erklärt auf Deutsch, dass sie eine Postleitzahl brauchen. Woraufhin eine der beiden ihr Handy zückt und immer wieder sehr laut „Indeks!“ hineinschreit. das russische Wort für Postleitzahl. Mittlerweile hat die Postangestellte Hilfe von zwei Kolleginnen. Die Lage scheint aussichtslos. Ich frage auf Russisch: „Kann ich helfen?“
Mit einem Schlag wird es ruhig. Dann erklären sie alle zusammen die Sachlage. Vor einem Monat haben die beiden ihrer Freundin Ljuda im russischen Sotschi zwei Pakete geschickt. Nur eins davon ist angekommen. Die Sendungsverfolgung von DHL sagt, das Paket sei beim Zoll, wie ich dem Computerbildschirm entnehme. Die beiden sollen Ljuda die DHL-Website übermitteln und die Sendungsnummer des Päckchens, damit sie selber nachschauen bzw. beim Zoll nachfragen kann. Doch was eine Website ist, wissen die beiden Damen nicht. Und verstehen nicht, dass das Päckchen eine Nummer hat. Dabei steht alles auf dem Sendungsprotokoll, das die Frau von der Post ausgedruckt hat. Ich schreibe auf Russisch „Internet“ neben die Website-Adresse und „Nummer des Päckchens“ neben die Sendungsnummer. Ich erkläre, dass das Päckchen erst seit fünf Tagen beim Zoll ist. Und dass Ljuda sich von einem jungen Menschen helfen lassen soll. „Haben Sie alles verstanden?“, frage ich. „Ist jetzt alles gut? Vsjo choroscho?“
Und da passiert es. Offenbar hat das letzte Wort bei der Postangestellten ihr lang vergessen geglaubtes Schulrussisch aktiviert. „Choroscho“ murmelt sie verlegen. Als ich gehe, verabschieden sich alle fünf zusammen mit „Danke – spasibo“. Gaby Coldewey
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