berliner szenen: Real Duckface reloaded
Es ist schwer zu schlucken, ich weiß. Aber: Das Duckface lebt! Kussmunds plattgepresster Bruder ist auferstanden, spätestens als beim Bawrs-Konzert im Festsaal Kreuzberg vor ein paar Wochen das Licht ausgeht. Ich kann vor Überraschung gar nicht folgen, als kurz danach Fatoni, Juse Ju und dann auch Edgar Wasser die Bühne betreten. Die drei zusammen sieht man eh schon selten. Aber: Duckface! Da mache ich vor Schreck selbst eins. Es ist noch drin. Schnute vorschieben. Kopf leicht schräg und dann das Handy hoch. Vielleicht zwei Finger zum Victory-Zeichen.
Die beiden, die es im sich langsam füllenden Besucher*innenraum zuerst ausführen, sind kaum alt genug, um die echte Duckfacewelle mitgemacht zu haben. Sie ziehen es trotzdem ziemlich professionell durch. Ich nippe an meiner Cola. Die Bühne ertrinkt im Rotlicht. Es riecht verdächtig nach Furz. Manche nutzen jede Gelegenheit schamlos. Vielleicht lässt sich mit dem Duckface die Nase schließen, aber das gelingt nur mäßig. Mich kitzelt mein Schnauzbart. Den hatte ich früher nicht. Heute Abend tragen einige die Popelbremse. Selbst der im Iron Maiden-T-Shirt. Jemand vor mir zieht sich die Hose aus der Poritze. Hat er etwa? Ich muss lachen vom Gras, das jemand neben mir pafft. Die Halle schüttelt die Köpfe. Duckface. Nickend zum Beat. Hier sind alle Brüder und Schwestern. Wütende Menschen haben Hausverbot. Ein Glück. Dafür hatte zuvor ein Security gesorgt. Optisch gepasst hätte der Störer ja. Mit Schnauzbart, Cap, T-Shirt. Er gestikulierte wild von einer Gästeliste. Der Security echote von vorangegangenen Stinkefingern des Ausgeschlossenen, der sich schimpfend verzog. Doch ich habe eine andere Vermutung. Der wütende Mann konnte kein Duckface. Und das ist ja heute wieder essenziell.
Klaus Esterluß
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