berliner szenen: Was willste machen?
Ich bin auf dem Weg zum Gassigehen mit mir selbst. Ich brauche nämlich jeden Tag Auslauf, weil ich aus dem Homeoffice ja noch nicht mal Wege zur Arbeit habe, die andere Leute täglich bestreiten. Meine Arbeitswege reichen nur vom Schreibtisch in die Küche und manchmal auf den Balkon, wenn das Wetter es zulässt und ich dort arbeiten kann. Jetzt lässt das Wetter gar nichts zu und niemand hatte Zeit, mit mir Gassi zu gehen, also fahre ich mit der S-Bahn an den See.
Gegenüber sitzen zwei Männer im mittleren Alter. Sie halten Bierflaschen in der Hand und der eine mit Cap sieht immer wieder besorgt zu dem anderen hinüber. Der guckt auf sein Bier und erzählt, was er am Wochenende in seiner Wohnung alles geputzt hat. „Und gestern komm ich nach der Arbeit nach Hause, steh vor dem Gewürzregal und denk: Okay, es muss jetzt sein. Dann habe ich alle Gewürze rausgenommen, geguckt, ob sie noch haltbar sind, weggeworfen oder in die kleinen Gläschen gefüllt, die mir M. mal mitgebracht hat und die dann mit meiner schönsten Schrift beschriftet. Verstehste?“ Der mit dem Cap nickt jetzt noch besorgter: „Das muss aufhören“, sagt er. Der andere zuckt missmutig die Schultern: „Was willste machen, wenn sie weg ist und man keinen zum Reden hat? Irgendwie musste dich ja beschäftigen.“
In dem Moment kommt eine Katze den Gang entlang. Ich blinzele, aber es ist wirklich eine Katze. Eine flauschige Perserkatze und ihre Frau mit Katzenkorb kommt hinter ihr her. Die Katze schnüffelt am Hosenbein des Gewürzaufräumers und sein Kumpel sagt: „Siehste! Schaff dir lieber’ne Katze an.“
„Aber das ist meine“, sagt die Frau, nimmt die Katze hoch und küsst sie. Dabei guckt sie den Gewürzaufräumer an. Sagt der laut: „Katze geht nicht, aber vielleicht’ne Frau mit Katze.“ Und dann lächelt er.
Isobel Markus
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