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berliner szenenNüchtern Schuhe verlieren

Ich trainiere im Fitness-Center, nur mit Frauen. Dass sie immer fair sind, träume ich. Ich erwache, als sie mir meine Schuhe stibitzt haben. Zumindest eine davon, sie läuft neuerdings in meinen neuen, schicken Sneakers, die mit orthopädischen Einlagen ausgestattet sind, durch Berlin. Ich möchte sie hiermit warnen: In meinen Schuhen unterwegs gestaltet sich das Leben stressig!

Ich hatte alle Klamotten im Spind verstaut, nur die Schuhe sollten unter einer Bank ausdampfen. In ein Handtuch gehüllt aus der Dusche zurück, sehe ich sofort, was Sache ist. Ich denke an den Kartengruß einer Freundin: „Wenn es Mitternacht ist und Du Deine Schuhe verloren hast, bist Du betrunken.“ Es ist mittags und ich bin sehr nüchtern. „Wo sind meine Sneakers?“ Die anderen Frauen in der Umkleide suchen mit mir alles ab, sie wühlen selbst in der Box mit den Fundsachen, „Die sind futsch, die hat eine mitgenommen.“ „Galoschen, Größe 42, packt man nicht aus Versehen ein.“ „Waren die teuer?“ Ich nicke. „Na, da haben wir es, das hat die Diebin erkannt“, sagt eine. „Die klauen hier wie die Raben. Heutzutage muss man alles anketten.“ Wildes Verdächtigen folgt. „Die mit dem langen brünetten Zopf, sie ist irgendwie schnell abgehauen.“ „Die eine mit dem Taylor-Swift-T-Shirt hatte ich noch nie zuvor hier gesehen, vielleicht …“ – es hilft nichts. Inzwischen angezogen, will ich schnell von hier weg. „Dann muss ich jetzt auf Strümpfen los.“ Eine stellt mir ihre Badelatschen hin, „Die kannst du nächste Woche am Empfang abgeben, für Gesine. Die kennen mich.“

Sie passen, mit Wollsocken in Plastikpuschen radele ich nach Hause. Dort tauche ich leicht hirnverbrannt in die Tiefen meiner Sporttasche, ich könnte ja doch noch fündig werden. Danach gönne ich mir eine Runde in Gesines Leihgabe. Das entspannt.

Silke Mohr

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