berliner szenen: Steglitzer-Supermarkt-Superskills
Ich bin in Steglitz und gehe am Abend durch die Gegend. Es ist still und ruhig, in den Wohnungen brennt Licht, aber auf der Straße begegnet mir so gut wie niemand, sodass ich überlege, ob irgendetwas passiert ist. In einer Seitenstraße komme ich an einem kleinen Supermarkt vorbei, der mit seinem weißbläulichen Licht fremdartig in der verlassenen Straße wirkt. Mir fällt ein, wie ich mit 14 mit R. und den anderen zum ersten Mal im Park gekifft habe. Im Park meinten R. und ich am Sternenhimmel die Erdkrümmung erkennen zu können, und wieder auf der Straße lachten wir uns über die Hydranten kaputt, weil sie aussahen wie Krieger. An der Ecke dann ein grell scheinendes Gebilde. Staunend standen wir davor, bis R. rief: „Jetzt ist hier heute auch noch ein Ufo gelandet.“ Es war dann bloß die Tankstelle, aber in dem Moment war das Gefühl mächtig.
Ich betrete den Supermarkt, und drinnen ist alles wie immer. Menschen in Jogginghosen holen sich Cornflakes, Bier, Milch und Chips. Ich brauche Sahne und Chips. An der Kasse sagt der junge Kassierer zu dem Mann vor mir: „Ach hallo, Sie wieder. Was hieß noch mal ‚Guten Abend‘ auf Albanisch?“
„Mirëmbrëma“, sagt der Mann in Lederjacke lächelnd. Seine Haare sind glänzend zurückgekämmt. „Mirëmbrëma“, sagt der Kassierer. Der Mann verbessert ihn, und der Kassierer wiederholt. „Okay, ich kann ‚Mirmengjesi‘ und ‚Si jeni?‘. Was heißt ‚Einen schönen Abend noch‘?“ Der Mann sagt einen kompliziert klingenden Satz, und der Kassierer schüttelt den Kopf: „Dafür muss ich noch üben, aber ’nen schönen Abend wünsche ich Ihnen auf jeden Fall.“ Der Mann hebt die Hand und ruft: „Mirëmbrëma!“ Als ich dran bin, sagt der Kassierer: „Voll praktisch hier. Irgendwann kann ich die wichtigsten Sätze in allen möglichen Sprachen. Ist ein Superskill.“
Isobel Markus
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