berliner szenen: Aber Dienstag ist Jeanstag
Digga, den Lappen kannst du morgen aber nicht anziehen.“
Mir gegenüber in der M4 sitzen zwei Jungs auf dem Weg zur Schule. Der eine trägt eine senfgelbe Wollbeanie auf dem Kopf, der andere ein lilafarbenes Vikings-Basecap. Und beide haben sie einen zarten Bartflaum auf der Oberlippe. „Warum? Das ist beste Ballonseide.“
Ich muss kurz an Karl Lagerfeld denken und an Kontrollverlust, aber Karl Lagerfeld ist ja schon lange keine Instanz mehr.
„Digga, guter Style, alles fit. Aber schon vergessen: Dienstag ist Jeanstag.“ „Ach ja, stimmt!“ Der Basecap-Junge schlägt sich mit der Hand gegen die Stirn. „Hatte ich wirklich vergessen. Meinst du das klappt? Dass die komplette Klasse morgen in Jeans einreitet?“ „Auf jeden, das wird fett. Maxim will sogar Jeanshemd und Jeansjacke anziehen. Von Kopf bis Fuß. Ich schreib mal eine Erinnerung in den Klassenchat.“ Er tippt in sein Handy. „Erledigt“, sagt er dann.
„Hast du Bio gemacht?“, wechselt der Basecap-Junge das Thema. „Digga, chill mal. Bio ist erst in der Fünften. In der großen Pause ist safe dafür Zeit. Montag ist Schontag.“ Die Vikings-Basecap brummt irgendetwas Unverständliches. „Dafür wird Donnerstag richtig kacke“, sagt er dann. „Erinner mich nicht. Thursday ist worst day. In der Ersten Mathe-LEK und dann Fünfte und Sechste Englischarbeit.“ „Und in der Dritten und Vierten haben wir Sport. Wir werden im Klassenraum schwitzen wie die Schweine.“
„Digga, wir müssen raus.“ Die beiden stehen auf und schieben sich zur Tür. „Digga, ich schwör“, höre ich die senfgelbe Beanie noch sagen. Dann hält die Tram und mit einem Schwung weiterer Schülerinnen und Schüler sind sie draußen. Schade. Ich hätte schon noch gerne gewusst, was sie am Mittwoch und Freitag vorhaben.
Daniel Klaus
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen