berliner szenen: Die Nacht, die schweigt in der Stadt
In Berlin sind alle in Eile. Sogar die Nacht kommt angerast, um 17 Uhr ist es stockdunkel. Kraftlos spiegeln sich Neonlichter in verstreuten Pfützen. Dunkle Farben überlagern sich in beklemmenden Bildern. Nichts ist zu hören außer pfeifendem Wind, raschelnden Blättern und klirrenden Regentropfen. Wenn die Nacht hereinbricht, übernimmt die Natur und die Menschen ziehen sich zurück.
In Kairo ist die Nacht eine andere Geschichte. Leben dort ist Nachtleben. Freunde treffen sich und unterhalten sich lautstark. Lebendige Lichter in wechselnden Farben verbreiten überall Freude. Die Menschen wärmen die kalten Nächte auf, indem sie draußen sind, für sich selbst und füreinander.
Während meiner ersten Nächte in Berlin hat mich das kalte Schweigen der Nacht leicht deprimiert. Ich habe meine Berliner Facebook-Freunde gefragt, wer sich treffen möchte. Der nächstgelegenen Einladung zu meiner Wohnung in Neukölln habe ich zugesagt. Der Freund schlug eine Teestube nur drei Blocks von meinem Zuhause entfernt vor, aber in der Stille fühlte es sich an, wie durch ein anderes Land zu gehen. Er begann über Teesorten, deren Herkunft und Geschmack zu sprechen. Ich achtete nicht besonders darauf, denn ich hatte es einfach so lange vermisst, menschlichen Stimmen zuzuhören.
Sobald ich aus der Teestube herauskam, herrschte wieder Stille, die aber plötzlich von einem schreienden Mann unterbrochen wurde; ein älterer Mann mit einer Stimme, die vor Schmerzen kreischte. Ich versuchte, mit dem bisschen Deutsch, das ich spreche, zu helfen, aber vergeblich. Die Passanten schenkten ihm trotz der fehlenden Sprachbarriere keine Beachtung. Schweren Herzens ging ich nach Hause und fragte mich, warum seine Rufe unbeantwortet blieben und was er wohl geschrien hatte.
Noha Al-Kady
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