berliner szenen: Der Kaffee am Donnerstag
Meine Freundin W. macht einen Malkurs in der Donaustraße. Seit sie diesen Kurs besucht und ich krankgeschrieben bin, sehen wir uns öfter, etwa donnerstags, wenn sie nach Neukölln fährt. Normalerweise ist das nicht so einfach, weil wir wegen der Arbeit gestresst sind und in völlig verschiedenen Ecken Berlins wohnen. Vor ihrem Malkurs und nach meiner Physiotherapie oder nach dem Fitnessstudio treffen wir uns dann auf einen Kaffee.
Einmal im Café am Rathaus Neukölln. Wir sitzen in Liegestühlen in der Sonne, und das Ganze hätte fast ein italienisches Flair, wenn da nicht die laute Baustelle an der Erknerstraße wäre und es nicht nach der Kanalisation riechen würde.
Sonst treffen wir uns in der französischen Bäckerei in der Fuldastraße. Die Verkäuferin (die zufällig die ehemalige Mitbewohnerin meiner Freundin ist) erkennt mich wieder und schenkt uns seitdem Baguette und Brot und fragt, ob wir noch einen weiteren Espresso und etwas Süßes möchten. Einmal kommt W. zu mir, als ich im Bett liege und weine. Geduldig hört sie mir zu, wie ungeduldig ich mit meinem verletzten Knie bin. Sie zeigt mir ihre Hausaufgaben, mit denen sie oft unzufrieden ist, obwohl ich ihre Zeichnungen wunderschön finde.
Manchmal bringt sie mir Gebäck mit, ein anderes Mal eine Fußmatte. Ich habe nichts für sie, aber das stört sie nicht. Sie freut sich, wenn ich sie bis zur Tür ihres Kurses begleite, und genießt es auch, in Neukölln zu sein. Sie sagt, das sei alles so lebendig. Bald wird sie in den Urlaub fahren, und danach ist ihr Malkurs, der sowieso recht teuer war, zu Ende. Auch ich werde dann nicht mehr krankgeschrieben sein und hoffentlich auch meinem Bein nicht mehr hinterhertrauern – ich mache Fortschritte. Das ist schön, aber auch schade: Donnerstags wird mir unser kleines Ritual fehlen. Luciana Ferrando
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