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berliner szenenThese days in meinem Kiez

Blumen entsorgen“ steht ganz oben auf meiner To-do-Liste. Ich verlasse also das Haus mit einem Strauß toter Sonnenblumen und Rosen in der Hand, während „These Days“ von Nico in meinem Kopfhörer spielt. Für einen Moment fühle ich mich wie eine verlassene Braut. Kurz bevor ich die Blumen tatsächlich wegwerfe, bereue ich das und lasse sie in einer leeren Weinflasche, die im Hinterhof herumsteht und die sich als Vase eignet. Die Blumen fügen sich perfekt in die herbstliche Szenerie ein, mit den grünen, braunen und gelben gefallenen Blättern auf dem nassen Hinterhofboden.

Meine beiden Fahrräder stehen seit Wochen unbeachtet dort. Ich darf sie mit meinem kaputten Bein nicht mehr benutzen. Ich betrachte sie flüchtig, als gehörten sie einer anderen Person, eine, die nicht liebevoll genug mit ihnen umgeht. Ich hinke die Straße herunter. Am Rathaus Neukölln höre ich jemanden laut singen. Ich sehe den Sänger nicht, aber seine Stimme hallt bis zum Eingang der U-Bahn. Plötzlich ruft jemand „Halt’s Maul!“ und es wird still.

Im nächsten Moment sehe ich einen Mann, der allein in einem Fischlokal neben der Donut-Bäckerei sitzt und isst. Das Bild wirkt dystopisch, wie auch sonst alles andere these days. Wie die Glocke, die später um 23 Uhr läutet. Ist das normal? Ich gehe auf den Balkon und bin erleichtert, dass meine Nachbarinnen unbesorgt scheinen – niemand schaut neugierig aus den Fenstern wie sonst, wenn ein Rauchmelder plötzlich Alarm schlägt.

Am nächsten Tag finde ich einen Haufen Müll vor der Tür: ausgelegene Matratzen, kaputte Regale, alte Kleidung und auch ein Gerüst. Das Nachbarhaus wird renoviert. Es regnet. Jetzt höre ich The Doors in meinem Kopf. „This is the End, beautiful friend …“, fängt Jim Morrison an zu singen.

Luciana Ferrando

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