berliner szenen: So ein Dreirad ist sicherer
Eine ältere Frau auf einem Elektro-Dreirad mit Helm fährt rasant an mir vorbei und parkt am Radständer vor dem Drogeriemarkt. Sie trägt einen Rock, darunter dicke Stützstrümpfe. Die Arme, solche Strümpfe in der Hitze, denke ich. Als sie absteigt, begegnen sich unsere Blicke. Sie nimmt den Helm ab und lächelt mich an. „Ist gut, was?“, fragt sie. Ich nicke und bleibe stehen.
„Das hat mir mein Sohn geschenkt. Weil ich nicht mehr Motorrad fahren soll. Ich dachte erst, dem geht’s wohl nicht mehr gut, schenkt mir’n Dreirad wie einem Kind. Aber dann – das fetzt ganz schön.“
Ich muss lachen, weil sie den Ausdruck „das fetzt“ verwendet wie aus den 80er Jahren. „Das glaube ich“, sage ich, „und es ist schon sicherer als ein Motorrad.“
„Na ja“, sagt die Frau. „Man wird eben alt. Es ist nicht das Gleiche wie auf dem Motorrad. Den Wind um die Nase spüren, sich in die Kurven legen – das war Freiheit. Ich habe erst mit 50 Jahren den Führerschein gemacht, wissen Sie, und dann bin ich nach meiner Trennung durch ganz Europa gefahren. Auf dem Motorrad.“ Sie hebt einen Zeigefinger. „Ganz allein.“
„Wie toll und sehr mutig“, sage ich ehrfurchtsvoll. Sie lacht. „Ja, das war eine schöne Zeit. Nur zuletzt hat’s mich hier um die Ecke aus der Kurve gerissen und ich hab die Maschine nicht mehr hochbekommen. Ich bin zu dünn geworden.“ Sie hält mir ihren Bizeps hin und sagt: „Fassen Sie mal an, da ist nichts dran. Wie bei einem Hühnchen.“ Sie lässt den Arm sinken. „Jetzt fahre ich deswegen Dreirad.“ Sie zieht die Nase kraus, lacht und ich denke, dass ich diese Geschichte aufschreiben möchte. Ich erkläre ihr, was ich mache, und frage um Erlaubnis. „Schreiben Sie“, sagt sie. „Schreiben Sie das auf, damit alle Frauen aufs Motorrad wollen. Muss jede mal probieren.“ Isobel Markus
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