berliner szenen: Mensch oder Maschine
Ich komme von einem schönen Treffen mit schreibenden Kolleg*innen, laufe die Invalidenstraße herunter und höre mir eine Sprachnachricht einer Freundin an. Sie wohnt in Köln, und mittlerweile schicken wir uns schön regelmäßig gesprochene Nachrichten darüber, was uns so passiert. Ich mag diese kleinen Berichte, die mich nahezu tagebuchartig ein Stückchen in das Leben der anderen mitnehmen, und höre sie mir wie Hörspiele oder einen Podcast oft unterwegs oder morgens an.
Autos hupen, ein Mann brüllt herum, und der Himmel bezieht sich mit bedrohlich dunkel aufgetürmten Wolken. Ein Gewitter zieht auf. Erste schwere Regentropfen fallen auf den Asphalt, ich hole meinen Regenschirm hervor, öffne ihn und laufe weiter schnellen Schrittes in Richtung S-Bahnhof Nordbahnhof.
Unter dem Schirm spreche ich der Freundin jetzt selbst eine Antwort in eine Nachricht, als ich vor mir einen älteren Mann mit einem Handwagen bemerke, der sich ungehalten umdreht. Ich laufe weiter, überhole ihn und merke dabei, wie er stehen bleibt, den Kopf schüttelt und mit der Hand eine unwirsche Bewegung in meine Richtung macht.
„Was ist denn?“, rufe ich ihm erstaunt zu.
„Ja, das nervt, dieses ganze Gequassel“, sagt er. Sein Gesicht ist rot und wütend. Er sieht etwas hilflos aus in seiner Wut mit seinem Handkarren. Ich sehe ihn an und sage: „Aber unterhalten wird man sich ja wohl schon noch dürfen im öffentlichen Raum, oder nicht?“
„Aber doch nicht mit der Maschine!“, ruft er erbost.
Hm, denke ich, gehe weiter und bemerke, dass die Sprachnachricht die ganze Zeit weiterlief. Also sage ich zu meiner Freundin: „Tja, was soll man da sagen, denn du bist doch ein Mensch und keine Maschine! Aber jetzt warst du mal live dabei während der Gewitterstimmung in Berlin.“ Isobel Markus
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