berliner szenen: Sie sind alle groß und blond
Wir hatten es geschafft, einen Premierenfilm auf der Berlinale zu sehen, obwohl die Tickets innerhalb von Millisekunden ausverkauft waren. Genauer gesagt, hatten es ein befreundeter Regisseur und eine befreundete Schauspielerin aus Zürich mithilfe einer digitalen Atomuhr geschafft, für mich und meinen Freund noch zwei Tickets mitzubestellen. Ich weiß, ehrlich gesagt, nicht, ob es an der Schweiz oder an der Atomuhr lag, wahrscheinlich an beidem, aus Berlin war ich auf jeden Fall zu spät dran.
Nach der Premiere warteten wie noch auf Freunde, die sich im Kinosaal verquatscht hatten, als meinen Freund eine hochgewachsene Blondine ansprach: „Bist du Paul?“ Als mein Freund, der nicht Paul heißt, irritiert schaute, fügte sie noch hinzu: „Paul, der Produzent?“ Mein Freund antwortete: „Sind wir nicht alle Produzenten?“ Die Frau stöckelte davon, wohl auf der Suche nach dem richtigen Paul. Ich musste direkt an diese Werbung für die fettreduzierte Butter von „Du darfst“ denken, die vor etlichen Jahren im Fernsehen in Dauerschleife lief. Ich sagte zu meinem Freund: „Du hättest antworten sollen: Paul? Wer ist eigentlich Paul?“
Später auf der Premierenparty ging mir diese Werbung nicht aus dem Kopf, als der befreundete Regisseur plötzlich meinte, den echten Paul hinten am Tresen erkannt zu haben. Da ich schon ein paar kostenlose Drinks intus hatte, ging ich zu dem vermeintlich echten Paul, der nicht wirklich meinem Freund ähnelte, und fragte ihn, ob er Paul, der Produzent sei. Er bejahte und ich erzählte ihm von der Verwechslung. Er wollte wissen, wie denn die Frau ausgesehen hätte. Ich antwortete: „Sie war blond und groß und trug ein langes schwarzes Kleid. Ach, und Stiefel mit Absatz.“ Er musste lachen. Ich schaute mich um: Das traf auf die Hälfte der Frauen auf der Tanzfläche zu.
Eva Müller-Foell
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