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berliner szenenTränen am U-Bahn-Gleis

Ich lief am U-Bahn-Gleis vom Bayerischen Platz in Schöneberg auf und ab, wartete auf die Bahn, die in einer Minute kommen sollte, als ich plötzlich ein Schluchzen hörte. Es war nicht laut. Eher leise und verzweifelt klang es. Und traurig. Zutiefst traurig. Ich drehte mich um und sah einen Obdachlosen, der auf dem Boden saß, angelehnt an einer Säule, und den ich bis gerade eben noch gar nicht wahrgenommen hatte. Auf seinem Schoß lagen Straßenzeitungen und aus seinen Augen kullerten dicke Tränen.

Ich musste schlucken, spürte einen Kloß im Hals, und mein Herz zersprang fast. Ich stellte mir vor, wie mein Leben wäre, wenn ich auf der Straße leben würde. Ich stellte mir vor, wie es wäre, jeden Tag einen Stapel labbriger, von der Kälte der Nacht zerfressener Straßenzeitungen in den Händen zu halten und die immer gleichen Sätze in der U-Bahn aufzusagen in der Hoffnung, jemand würde mir paar Groschen in die Hand drücken. Ich habe in all den Jahren, in denen ich jetzt schon in Berlin lebe – inzwischen sind es 13 – bestimmt mehrere Tausend Obdachlose gesehen. In U-Bahnen, an Gleisen, auf der Straße, in der Sparkasse, auf Plätzen, in Parks, unter Brücken, in Gebüschen.

In meiner Anfangszeit in Berlin habe ich noch öfter Obdachlosen ein bisschen Geld gegeben. Oder was zu essen. Aber irgendwann bin ich ein wenig abgestumpft. Meistens gebe ich kein Geld. Oft habe ich aber auch kein Kleingeld dabei. Und jetzt, beim Anblick des weinenden Obdachlosen, wurde mir all das noch mal bewusst. Auch in dem Wissen, dass ich ihm damit nur bedingt helfen kann, holte ich alles Kleingeld hervor. Immerhin waren es 3 Euro. Damit lief ich zum Obdachlosen und legte es ihm in den Pappbecher, den er mir entgegenstreckte. Ich wusste: Sein Weinen war echt. Das Leben war echt. Und manchmal echt hart.

Eva-Müller-Foell

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