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berliner szenenKavaliere unter den Dieben

Eine gute Chorkneipe zu haben ist goldwert. Unsere hat dichtgemacht. Zumindest habe ich einen Teil der alten Deckenzierde noch erstehen können – einen Chapeau Claque. In unserer neuen Schenke wurde eine Sangesschwester dann gleich beklaut. Während wir am Tisch saßen, quatschten und lachten und aßen und tranken, hat jemand ihre Tasche erspäht, entwendet. Sie hatte sie wohl über die Lehne gehängt, meinte sie.

Unruhe, eigentlich sogar Fassungslosigkeit machte sich bei uns breit. Niemand hatte etwas bemerkt im gut besuchten Kreuzberger Laden; Handy, Portemonnaie und Schlüssel der Sängerin waren fort. Wir schwärmten aus und suchten. Ich lief zu den Toiletten und schaute dort, und zwar im Water Closet höchstselbst, einem Örtchen, an dem bekanntlich nicht selten geleerte Geldbeutel ertränkt werden. Umsonst. Unser Chorleiter schürte vage Hoffnung, als er erzählte, dass auch er einmal bestohlen worden sei, jedoch am Morgen danach alle Dokumente im Briefkasten vorgefunden habe – Ausdruck einer Milde, die die Kavaliere unter den Dieben im Berlin der Siebziger, Achtziger anscheinend öfters walten ließen.

Was tun? Die Beklaute stand wie ein begossener Pudel im Raum, wir gruppierten uns um sie, nicht weniger bedröppelt. Die Tasche blieb verschwunden. Das Personal wusste dazu nichts zu sagen, außer: „Das ist neu!“ Oder hatte es geheißen: „Das ist nicht neu!“ In der alten, urgemütlichen Kneipe mit ihrem himmlischen Kartoffelsalat und dem enzyklopädisch beschlagenen Kellner wär’s vielleicht nicht passiert, dachte ich.

Zumindest die Schlüssel der Sängerin fanden sich dann beim Gehen noch in ihrer Jacke. Besser als nichts. Wär schön, wenn die Zeit der Kavaliere wieder anbräche – und die der guten Kneipen. Felix Primus

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